Für Udo Kier ist die neue ORF-Produktion "Altes Geld" aus der Feder von David Schalko eine "intelligente Provokation": Der deutsche Schauspieler gibt in der ab heute als DVD und Video-on-Demand erhältlichen Serie den alternden Patriarchen Rolf Rauchensteiner, der aufgrund einer Erkrankung eine Spenderleber benötigt. Damit ist der Wettlauf um sein Erbe in dieser dysfunktionalen Familie eröffnet.
"Ihm macht das doch eigentlich gar nichts aus", rekapitulierte Kier bei der Präsentation des Achtteilers. "Er weiß doch genau, dass es nur eine Frage der Zeit und des Geldes ist." Immerhin hat Rauchensteiner die besten Beziehungen im städtischen Machtgefüge. "Darum geht es letztlich: Um Korruption, Geld und Macht." Das Böse, das sich seiner Ansicht nach durch die Serie zieht, begegne dem Zuseher teils unterschwellig. "Da steht keiner mit dem Messer in der Hand hinter der Tür." Gleichzeitig gebe es "Sachen wie Inzest, wo gesagt wird: 'Dein Arsch gehört mir!'", unterstrich Kier. "Aber das wird nicht als Schock benutzt. Es steht einfach im Raum."
Letztlich sei man mit einer "Widersprüchlichkeit" der Charaktere konfrontiert, wie Sunnyi Melles ergänzte. "Das Böse, das Gute, das Geheime, das Hinterhältige, das Zynische, der Galgenhumor - alles ist mit drin. Das macht diese Figuren sehr reich." Entsprechend habe sie auch Ehefrau Liane angelegt. Schalko habe ihrer Ansicht nach mit "Altes Geld" einen "Seelenzustand aufgedeckt", wobei sie dem Autor und Regisseur Shakespeare'sche Züge attestierte. So kommen Rache- ebenso wie Liebesgefühle zum Zug. Die Zeichnung der Figuren lasse einiges offen. "Wenn man einen Menschen zu sehr in seiner Unwidersprüchlichkeit zeigt, dann wird er auch abgestempelt. Und dann ist er nicht mehr in uns allen."
Geld als gemeinsamer Nenner
Und so hält Schalko dem Publikum einen Spiegel vor - allerdings einen der besonderen Art. "Es ist eher ein surreales Zerrbild einer bestimmten Gesellschaftsschicht, eine Möglichkeit, keine Dokumentation", so Nicholas Ofczarek, der den ältesten Sohn Zeno gibt. "Dass nicht jede Familie perfekt ist und nicht jede Familie gut funktioniert, macht uns Menschen auch aus. Das Interesse, das diese Familie irgendwie vereint, ist das Geld, das alte Geld, das diese sehr schlecht funktionierende Familie korrumpiert. Dass man als Familienmitglied da, wo man eigentlich gehen müsste, doch bleibt, und zwar, weil es die Existenz sichert, ist etwas, das jeder von uns kennt."
Folglich funktioniere "Altes Geld" keineswegs nur als österreichische Serie, wie auch Cornelius Obonya zu verstehen gab. "Das ist das Schöne. Diese Stadt und ihre Figuren und Menschen, auch das Land, das dargestellt wird, könnte tatsächlich woanders sein." Von Dingen wie Gier lese man schließlich "jeden Tag in der Zeitung", und nicht nur in Österreich, wie der Darsteller des Leibarztes der Rauchensteiners betonte. Und auch Ofczarek sprach diesem Sittenbild eine Gültigkeit zu, "die es auf der ganzen Welt in ihren Strukturen gibt". Wobei: Mit Themen wie Restitution und Nazitum "gehen wir dann schon ziemlich auf die Verlierermächte des Zweiten Weltkrieges hin".
Eine der großen Stärken Schalkos sei die Verknüpfung von Humor und Abgründigem, wie Manuel Rubey sagte. Das sei es, "was ihn neben dieser großartigen Beobachtungsgabe, die andere auch haben", ausmache. "Dadurch ist viel mehr möglich, und das macht ihn so singulär in diesem Land. Man hat sonst das Gefühl, dass es eine panische Angst vor Humor gibt, wenn es um Drama oder Seriöses geht." Rubey glänzt in "Altes Geld" als blondierter Sohn Jakob, der sich eigentlich so weit wie möglich von seinem Vater distanzieren möchte, "aber er scheitert daran". Als Anweisung habe Regisseur Schalko der Familie Rauchensteiner mitgegeben: "Agiert unpsychologisch. Das sind Hülsen, und als solche hauen sie sich die schlagfertigen Argumente um die Ohren."
Genüsslich Böse
Mit eisigem, stoischem Blick erträgt dies das Familienoberhaupt. "Es ist so direkt, womit man über das Böse auch lachen kann", sagte Kier. "Und es geht alles so nebenbei. Der Tod wird auf einem Tablett serviert, mit einem Glas Champagner. 'Das ist der Tod? Mal antesten'", schmunzelte der Schauspieler. Er halte sich nicht zuletzt aufgrund seiner jahrelangen Zusammenarbeit mit Lars von Trier an das Motto "Don't act": "Ich schaue nicht auf Monitore beim Drehen, das finde ich furchtbar. Ich habe gelernt, nicht zu spielen." Wie sein Kollege Christoph Waltz beherrsche er, "dass man das Böse mit Genuss spielt".
Dass das Publikum etwas anfangen kann mit "Altes Geld", steht für Melles außer Frage. "Selbst ich bin als Zuschauerin immer wieder überrascht, wenn ich die Entscheidungen Lianes sehe." Die Serie zeige, dass "Geld ein Tumor wird" und Menschen von "Macht und Gier" getrieben sind. "Das ist in allen Schichten so, das ist der Mensch. David schaut in die Seele rein." Weniger missionarisch denn wie ein Märchen werde gezeigt, was man machen müsste, um nicht so zu enden. "Und dass es wichtigere Werte gibt", betonte Melles.