Mit seiner Langzeitbeobachtung, die sich "einlässt auf die Spuren der Zeit im Leben einzelner Menschen", so Jurysprecherin Ivette Loecker bei der von maschek-Komiker Robert Stachel moderierten Verleihung, gewann Geyrhalter den mit 21.000 Euro dotierten Großen Diagonale-Preis für den besten österreichischen Dokumentarfilm. Einen weiteren Preis gab es für seinen langjährigen Cutter Wolfgang Widerhofer. In "Über die Jahre" begleitet Geyrhalter arbeitslose Textilarbeiter im Waldviertel und setzt sich in 188 Minuten nicht nur mit der Arbeitswelt einer strukturschwachen Region, sondern auch mit dem Stellenwert der Arbeit im Leben des Menschen auseinander. "Das größte Geschenk", so der Dokumentarist, seien dann neben Preisen wie diesem vor allem Protagonisten, die sich "von mir überreden lassen, vor der Kamera zu sprechen."

Auch Geyrhalter selbst sei von Intendantin Barbara Pichler erst zur diesjährigen Personale, "für mich Zwischenbericht, nicht Retrospektive", überredet worden. Die vielen, gut besuchten Screenings seiner bisherigen Filme hätten ihn sein "Werk" aber als solches nun annehmen lassen - und ihm auch einmal mehr gezeigt, "dass ein Festival nach wie vor der Ort ist, wo Diskurs stattfindet", und dementsprechend erhalten bleiben muss.

Über den Großen Preis des Landes Steiermark für den besten österreichischen Kinospielfilm durften sich Veronika Franz und Severin Fiala freuen. Deren Spielfilmdebüt "Ich seh Ich seh" hatte bereits am Tag zuvor den Thomas Pluch Spezialpreis der Jury erhalten, und vereinte laut Jury alles, "Klarheit und Mysterium, psychologisches Drama und Horrorgenre". Der Dank auf der Bühne galt einander - arbeite man doch wirklich als Team, so Franz, und habe Fiala bereits als Zwölfjähriger auf ihre Kinder aufgepasst, "was uns für diesen Film prädestiniert hat". In ihrem von Ulrich Seidl produzierten Genrefilm "Ich seh Ich seh" erzählen sie von einer Frau, die nach einer Gesichts-Operation mit einem Kopfverband nach Hause zurückkehrt und von ihren beiden Zwillingssöhnen nicht als deren Mutter wieder erkannt wird.

Im Team arbeiteten auch Sasha Pirker und Lotte Schreiber, die für ihre Arbeit "Exhibiton Talks" den Preis Innovatives Kino der Stadt Graz erhielten. Über gleich zwei Preise durfte sich Manfred Neuwirth freuen, dessen experimentelles Kritzendorf-Porträt "Aus einem nahen Land" in den Kategorien Kamera und Sounddesign reüssierte. Aus einem Formular von Fördergebern zitierend, war der Filmemacher dann auch der einzige, der seine Dankesrede für eine kritische Stellungnahme nutzte und sich verwehrte, "in einer Gesellschaft zu leben, wo Künstler gefragt werden, woran sie ihren Erfolg messen".

Den zweiten Schauspielpreis nach dem österreichischen Filmpreis vor zwei Monaten holte sich Murathan Muslu für "Risse im Beton", die erste Auszeichnung für schauspielerische Leistungen in einer 36-jährigen Karriere nahm Ulrike Beimpold für Karl Markovics' dreifach prämierten Eröffnungsfilm "Superwelt" (Kamera, Szenenbild) entgegen. "Und Sie wissen ja, wie viel das erste Mal bedeutet", sagte Beimpold, und freute sich umso mehr, "diesen Preis im letzten Jahr dieser außergewöhnlichen, fabelhaften Barbara Pichler zu bekommen".

Beimpold war nicht die einzige, die neben Filmteam, Jury und Preisstiftern vor allem der scheidenden Intendantin dankte, die das Festival nach sieben Jahren auf eigenen Wunsch verlässt und nun das Ruder an das junge Duo Sebastian Höglinger und Peter Schernhuber übergibt. Von der Generalversammlung des Vereins "Forum österreichischer Film", der das Festival organisiert und Pichlers Abschied "sehr bedauert", gab es dann zum Abschluss auch "zum ersten und zum einzigen Mal" den "Diagonale Achievement Award" in Form eines goldenen Miniatur-Ruders "für die wichtigste Person des Abends", so Matthias Forberg und Johannes Rosenberger stellvertretend, hege Pichler doch neben dem Film auch eine Leidenschaft für den Rudersport. Die Geehrte nutzte die Bühne als "letzte Gelegenheit", ihrem Team zu danken und ihren Nachfolgern "viel Spaß, aber auch gute Nerven" zu wünschen. Festivalarbeit sei einer der "großartigsten Jobs überhaupt", die Entscheidung sei dementsprechend "nicht einfach, aber sehr klar" gewesen.

Klar fehlgeschlagen ist hingegen die Zielvorgabe Robert Stachels, seine vor zwei Jahren aufgestellte Moderationszeit von zwei Stunden und drei Minuten zu unterbieten. Wenn es nach "Finanzberater" Niki Lauda und Kulturminister Josef Ostermayer (SPÖ) in von maschek während des Abends eingespielten satirischen Beiträgen geht, könnte es ab 2016 aber wesentlich schneller (und billiger) gehen: Die schlagen nämlich vor, fortan nur einen österreichischen Film pro Jahr produzieren, und sämtliche bei der diesjährigen Diagonale aufgegriffenen Themen per Synchronisierung einfließen zu lassen. Für das Ergebnis zu Bildern von "The Sound of Music", die Julie Andrews in die "Superwelt" manövrierten und Baron von Trapp "Film aus Österreich" statt "I am from Austria" singen ließen, gab es stürmischen Applaus. Hauptsache, es bleibt Satire.