"Aufwachen, ihr Schnarchnasen!" titelte das inoffizielle Begleitheft zum RTL-Dschungelcamp - kurz "Bild" - dieser Tage und brachte den Unterhaltungswert der neunten Staffel treffsicher auf den Punkt. "Ich bin ein Star - holt mich hier raus" verläuft seit einer Woche weitestgehend so, wie Ex-Teilnehmer ihre Tage im australischen Urwald beschreiben: unaufregend. So sagte etwa Dschungelkönig Peer Kusmagk 2012, ein Jahr nach seinem Sieg, zur Kleinen Zeitung: "Im Camp ist es total langweilig. Die meiste Zeit hängst du in der Hängematte und hoffst, dass die Zeit vergeht. Ist ja logisch, wir reden von 24 Stunden, in denen nichts passiert. Manchmal hab' ich mich gefreut, wenn ich pinkeln gehen musste, damit wieder mal was passiert."
Diesmal ist jedoch nicht nur den Kandidaten fad, sondern auch dem Publikum. Das belegen auch die Einschaltquoten: Sie sind mit 6,63 Millionen deutschen Zusehern zwar noch immer sehr hoch, liegen aber 1,2 Millionen unter dem Schnitt vom Vorjahr. Die Rekordzahlen von 2014 verdankte RTL weitestgehend Larissa Marolt, dem gewitzten Unruheherd aus Klopein mit dem unaufhörlichen Drang stets zu sagen, was einem gerade durch den Kopf geht. Die Rolle der Kärntnerin nahm heuer der arbeitslose Moderator Walter Freiwald ein. Allerdings mit dem Unterschied, dass der beständig lästernde Egomane mit seiner völlig verqueren Selbstwahrnehmung alles daran setzt, bloß niemandem sympathisch zu werden.
Aber Freiwald zeigt wenigstens Ecken und Kanten, die der Rest entweder noch für sich behält oder schlicht nicht besitzt. Denn mit einer unprominenten Besetzung hat die ungewöhnliche Ruhe im Dschungel nur wenig zu tun. Auch ein No-Name kann Charme, Esprit und Witz aufweisen. Das zeigten in den letzten Jahren "Camper" wie Melanie Müller, Peer Kusmagk oder eben Larissa Marolt. Heuer ist ein Großteil der Kandidaten nicht nur weitgehend unbekannt, sondern auch nach sieben Tagen noch immer arm an Charisma und ohne Hang zur Verhaltensauffälligkeit. Dank solcher Langweiler am Lagerfeuer wird es selbst für RTL mit seinen Königen des Schnittplatzes fast unmöglich, Tag für Tag ein unterhaltsames, 45-minütiges Best-of zusammenzuschustern.
Während einige der Farblosen, wie etwa Angelina Heger aus "Der Bachelor", versuchen unter der Sonne zumindest äußerlich Farbe zu bekommen, sind Schauspielerin Rebecca Siemoneit-Barum und Sänger Benjamin Boyce quasi unsichtbar. Der Brite dürfte in den zahlreichen Interviews, die mit den Dschungel-Bewohnern täglich geführt werden, noch keinen interessanten Satz hervorgebracht haben. Denn seine Bildpräsenz ist auch nach einer Woche Australien exakt auf dem Level, von seiner Zeit davor: konstant bei null.
Ab heute Abend wird sich das Publikum aber selbstständig Erleichterung verschaffen und täglich einen Teilnehmer nachhause schicken. Aber es werden noch mühsame Tage für Dschungel-Fans, ehe am 31. Jänner nur noch ein Trio um das fast erloschene Feuer sitzen wird und auf die Verkündung das Siegers wartet - zu viele haben sich die Abwahl des Publikums redlich verdient. Gewinnen dürfte schließlich Jörn Schlönvoigt, der Schauspieler aus "Gute Zeiten, schlechte Zeiten". Der 28-Jährige ist schlicht zu nett, zu fair und zu schön um nur Zweiter zu werden. Mit Schlönvoigt ins Finale einziehen werden wohl der Reibebaum (Favorit: Walter Freiwald) und eine der austauschbaren weiblichen Kandidaten (Favoritin: Angelina Heger).
Am Donnerstagabend durfte Walter Freiwald übrigens abermals zur Dschungelprüfung ausrücken, diesmal verwegen mit Kriegsbemalung und Stirntuch und dem für einen 60-Jährigen würdigen Schlachtruf "Tschakka". In "Teufels Küche" irrlichterte der RTL-Shop-Veteran zwischen Gammelfleisch, Krabbelgetier und versteckten Schlüsseln hin und her. Das Ergebnis: ein Stern (von elf) und konstante Sympathiewerte: "Dann habe ich ja immerhin was zu essen."
Im Camp unterhielt sich die Truppe über die Gagen, die jeder Kandidat für seinen Einsatz kassiert, und bewies dabei köstliche Naivität. Tochter Patricia Blanco nahm etwa an, jeder Teilnehmer bekäme denselben Betrag. Schönling Aurelio Savina meinte, für seine kolportierten 20.000 Euro hätte er nicht einmal seine halbe Arschbacke nach Australien einfliegen lassen. Den Vogel schoss aber Angelina Heger (22) ab. Nach der angeregten Diskussion eilte sie ins Dschungeltelefon-Kammerl und haute auf den Putz: "Hallo, ich habe ne Frage", wandte sie sich an RTL und fuhr knallhart fort: "Und zwar dauert es bei mir nicht mehr lange, bis ich abbreche, weil ich einfach nicht mehr kann. Wichtig ist natürlich für mich zu wissen, wie viele Tage ich hier drin bleiben muss, sonst kriegt man ja nur fünfzig Prozent oder so ..." Das Mädchen bleibt ein gefundenes Fressen für das bissige Kommentatoren-Duo Sonja Zietlow und Daniel Hatwich.