Er wird auch heuer wieder der begehrteste Tenor der Welt sein. Mit einigen Schwerpunkten in Österreich. Jonas Kaufmann kommt sowohl zu den Osterfestspielen nach Salzburg („Cavalleria rusticana“, „Pagliacci“ und Verdi-Requiem) als auch zu den Festspielen im Sommer („Fidelio“). Und am 14. Mai gastiert er mit dem Repertoire seiner aktuellen Operetten-CD „Du bist die Welt für mich“ im Wiener Konzerthaus.
Die Münchner Aufführungsserie von Puccinis „Manon Lescaut“ unter der Regie von Hans Neuenfels ist sozusagen überstanden. Da gab es ja den Skandal mit Anna Netrebko, die ihre Partie nach Auseinandersetzungen mit Neuenfels zurücklegte. Wie haben Sie die Ereignisse erlebt?
JONAS KAUFMANN: Da gab es Kommunikationsprobleme. Neuenfels spricht kein Englisch, und es wurde ein teils mühsamer Probenprozess. Ich selbst war manchmal auch am Verzweifeln.
Wie stehen Sie zum sogenannten Regietheater?
KAUFMANN: Ich habe grundsätzlich nichts dagegen. Ein Stück ernst und es auseinandernehmen, dann mit Verstand wieder zusammensetzen, warum nicht? Das Publikum taucht bestimmt gern in eine andere Welt ab. Aber: Puccini ist ein reißender Strom. Man kann nicht dagegen anschwimmen. Er reißt einen mit. Und wenn dann einer versucht, nur zu provozieren . . . Früher erhielten Regisseure für eine Produktion nur einen Teil des Geldes, für jede Aufführung kamen Tantiemen dazu. Da lag es im Interesse des Regisseurs, dass das Stück oft gespielt wurde. Heute hingegen heißt es oft Aufmerksamkeit erregen. In einem Genre, wo der Spielraum viel, viel kleiner ist als am Sprechtheater.
Sie sind jetzt 45 und karrieremäßig ganz oben. Zufrieden?
KAUFMANN: Ich kann nicht klagen. Es könnte nicht besser laufen. Bei allem, was ich anfasse.
Was wohl auch für Ihr Album „Du bist die Welt für mich“ gilt?
KAUFMANN: Ganz gewiss, und das ist kein spektakulärer Schritt in den Mainstream. Dieses Repertoire, Operettenlieder aus den Jahren 1925 bis 1935, habe ich seit Jahren in meiner Pipeline. Nur bin ich zu einem neuen Label, zu Sony, gewechselt, und dort wäre es für den Anfang vielleicht nicht gut gewesen. Also musste ich zunächst meine „Ernsthaftigkeit“ unter Beweis stellen. Mit Verdi und Schuberts „Winterreise“. Doch das erwähnte Operettenrepertoire ging mir nie aus dem Kopf. Und es gibt da noch Repertoire, das für viele andere Alben reichen würde. Bei den Aufnahmen im Studio haben wir alle mitgepfiffen und mitgesungen, ich schwebte wie auf einer Wolke, und ich kann die Tournee mit diesen Liedern kaum erwarten.
Woher kannten Sie das besagte Material so gut?
KAUFMANN: Mein Großvater hat im Berlin der Zwanzigerjahre studiert, meine Großmutter sang die Lieder beim Kochen. Besonders gern „Dein ist mein ganzes Herz“. So habe ich diese Sachen kennengelernt. Ich selbst habe bei Konzerten gerne als Zugabe Richard Taubers „Du bist die Welt für mich“ gesungen, und ich war erstaunt, wie gut das bei den jungen Leuten ankam.
Singen auch Sie beim Kochen?
KAUFMANN: Ja, es stimmt, ich koche. Dabei stellt sich das Singen automatisch ein, ich merke es oft erst nach einer Weile. Überhaupt: Einmal flog ich in der Business Class nach Moskau. Vor mir saß ein älteres Pärchen und gab sich einen Wodka nach dem anderen. Die beiden haben sich sogar beschwert, dass die Stewardess zu wenig nachschenkte. Ich wurde am Flughafen abgeholt. Die Dame dieses Paares wandte sich an meine Abholerin und fragte, wer denn dieser Verrückte sei, der die ganze Zeit hinter ihnen gesungen hat. Ich hatte das gar nicht gemerkt. Ich war auf dem Weg zu einem Liederabend, wahrscheinlich war es etwas aus dem Repertoire.
Würden Sie gerne auch einmal auf der Bühne Operette oder Musical spielen?
KAUFMANN: Sicher, und ich bin überzeugt, dass diese Zeit kommen wird. Die Welt wird immer kälter, unnahbarer, gefühlloser, und ich glaube, dass derartige Produktionen eine Möglichkeit sind, die Herzen zu erwärmen.
Vorerst bleibt’s, auf der Opernbühne, beim Klassischen. Heuer darf man Sie zwei Mal in Salzburg erwarten, zu Ostern und im Sommer?
KAUFMANN: Ja, und ich freue mich, dass das so verschiedene Sachen sind. Der Kernverismo von „Cavalleria rusticana“ und „Pagliacci“ ist für mich Neuland, noch dazu darf ich sowohl den Turiddu als auch den Canio singen. Auf diesen Doppelpack unter Christian Thielemann freue ich mich besonders. Mit ihm habe ich bisher noch keine italienischen Sachen gemacht.
Und „Fidelio“ im Sommer?
KAUFMANN: Kein Neuland. Habe ich schon öfter gesungen, in verschiedenen Inszenierungen. Unter der Regie von Claus Guth und unter der Stabführung von Franz Welser-Möst wird es sicher wieder spannend.
Alles in allem: Sind Sie momentan wunschlos glücklich?
KAUFMANN: Wunschlos glücklich ist man nie. Doch mir geht’s sehr gut. Da gibt’s nichts, wo ich sagen könnte: Das brennt!

INTERVIEW: LUIGI HEINRICH

ZUR PERSON

Jonas Kaufmann, geboren am 10. Juli 1969 in München.
Karriere: Studierte zunächst Mathematik, dann Gesang.
1991 Engagement an der Züricher Oper, 2006 Debüt an der Met in New York. Heute einer der besten Tenöre der Welt.
www.jonaskaufmann.com