Sie waren jahrzehntelang mit dem K & K Experimentalstudio Teil der Theaterlandschaft, stehen nach wie vor auf der Bühne. Sehen Sie eine Entwicklung?
GUNDA KÖNIG: Ich habe das Gefühl, dass sich die etablierten bürgerlichen Theater in Wien öffnen und teilweise ganz tolle Produktionen machen, wie „Die lächerliche Finsternis“ im Akademietheater. Ich gehe aber nur selten ins Theater, auch kaum ins Stadttheater. Bei Dietmar Pflegerl hatte das doch eine andere Qualität, einen anderen geistigen Hintergrund. Für mich hätte sich mit einem Engagement am Stadttheater ein Kreis geschlossen, ich habe doch 1969 hier angefangen.
Wie war das damals?
KÖNIG: Alles Neuland, ich war einfach glücklich. Egal ob Uraufführungen oder Märchen, ich habe gefunden, das ist mein Element. Es war wunderschön.
Wie sind Sie überhaupt zur Schauspielerei gekommen?
KÖNIG: Ein Talent hat sich schon abgezeichnet, ich bin aber in meiner Jugend lieber ins Konzert und in die Oper gegangen. Das Theater war mir zu langweilig. Ich war dann Volksschullehrerin am Lycée Français in Wien, habe während dieser Zeit meine Schauspielausbildung und die öffentlichen Schauspielprüfungen gemacht. Kurz vor meinem Abschluss habe ich Herbert Wochinz vorgesprochen. Er hat mich zu den Spittaler Komödienspielen Porcia engagiert und danach ans Stadttheater Klagenfurt.
Wissen Sie noch, was Ihre erste Rolle war am Stadttheater? War das nicht in Turrinis „Rozznjagd“?
KÖNIG: Nein, nein, das war im Märchen „Der Flohprinz“. Die „Rozznjagd“ wurde Miriam Dreifuss angeboten, dann Annemarie Schüler und keine wollte es spielen. Damals war Nacktheit auf der Bühne noch ein Wagnis. Mein Partner war Georg Trenkwitz.
Wurde die Produktion eigentlich in einem Studio versteckt, weil man einen Skandal befürchtete?
KÖNIG: Nein, es war auf der großen Bühne. Den Mut hat man damals schon gehabt. Aber vom Publikum, von der Rezeption und von den Leserbriefen her, war das schon ein Skandal. Die Uraufführung war ja erst kurz vorher im Volkstheater Wien. Wir waren die Ersten, die das nachgespielt haben. Aber die Probensituation . . . also, der Trenkwitz war gschamig, ich war gschamig und wir wollten uns nie ausziehen bei den Proben. Wir haben doppelte Unterwäsche angehabt, damit wir eine davon ablegen konnten. Der Tamás Ferkay, er führte Regie, war schon völlig verzweifelt und hat gesagt: Ich zieh’ mich auch aus, wenn ihr dann eure Hemmungen überwindet. Er hatte dann den Regieeinfall, dass wir auf dem Mistplatz die Sachen herumschmeißen und eine Neonröhre treffen, die dann anfängt zu zucken . . .
. . . damit im zerhackten Licht nichts mehr zu sehen war.
KÖNIG: Ja, so waren wir irgendwie geschützt. Aber ich erinnere mich an meine Schwiegermutter. Sie hat die Hände gefaltet und auf die Knie geschaut, nicht auf die Bühne. Trenkwitz hat sich dann leider das Schlüsselbein gebrochen, wir haben nur wenige Vorstellungen gespielt. Aber ich glaube, es war eine gute Aufführung. Schrecklich waren noch die gebleichten Haare. Wir waren erst kurz verheiratet und der Dieter hat mich kaum wiedererkannt.
Stichwort Dieter Kaufmann. Stimmt es, dass Boy Gobert Sie nach Hamburg ans Thalia-Theater holen wollte?
KÖNIG: Ich habe Gobert für Tschechows „Die drei Schwestern“ vorgesprochen, war aber noch sehr unerfahren. Ich habe damals keine Zusage bekommen. Ehe wir uns in Wien wieder getroffen hätten, ist er gestorben.
Und: Wären Sie nach Hamburg gegangen?
KÖNIG: Ja, schon. In der ersten Zeit unserer Ehe haben wir gesagt: Drei Jahre arbeite ich, drei Jahre arbeitet er. Also ganz naiv, so als könnte jeder sofort in den Beruf ein- und wieder aussteigen. Dem war dann nicht so. Und mit den Kindern hat sich sowieso alles verschoben. Dieses Konzept haben wir nie durchgeführt.
Sie waren wichtige Geburtshelferin und Protagonistin der Produktionen im K & K Experimentalstudio?
KÖNIG: Das hat ja aus uns beiden bestanden. Für mich war am Anfang das Theater überhaupt eine neue Welt. Für meinen Mann, der aus einer Künstlerfamilie kommt, war es die Fortführung eines Weges. Ich bin erst im Lauf der Zeit hineingewachsen und habe dabei auch meine anderen Begabungen einbringen können, wie Singen oder Ideen für Regie und Kostüme.
Zwischendurch haben Sie hinreißende Puppen gemacht. Was ist daraus geworden?
KÖNIG: Damit habe ich während der dritten Schwangerschaft begonnen, inspiriert durch eine Ausstellung von Burgis Paier. Ich habe das sehr gerne gemacht, auch weil man so unabhängig arbeiten kann. Wir sind dann nach Wien übersiedelt und ich hatte so viel anderes zu tun, dass ich das nicht durchgehalten habe. Sollte mein Gedächtnis weiter nachlassen, werde ich vielleicht diese Arbeit wieder aufnehmen.
Wie meinen Sie denn das?
KÖNIG: Nun, ich brauche jetzt schon länger zum Textlernen.
Sie waren in letzter Zeit regelmäßig in freien Produktionen, etwa vom Theater Wolkenflug zu sehen. Sind das große Herausforderungen für Sie?
KÖNIG: Ich mache das gerne, weil ich einfach gerne im Theater bin und vom Theater zehre. Schwierig sind die Begleitumstände, auch wenn das für mich nicht neu ist. Bei unseren K & K Produktionen ist es ja ähnlich gelaufen.
Haben sich die Bedingungen für junge Schauspieler verschlechtert?
KÖNIG: Ich glaube schon. Wirklich beneide ich die nicht. Für junge Schauspieler ist ein Ensemble d i e Chance. Man kann sich entwickeln, hat eine gewisse Ruhe und Permanenz. Das ist zurzeit, außer mit Mordsglück, nicht mehr möglich. Es ist wirklich zach geworden. In den Siebzigerjahren hat man Subventionen bekommen, nicht viel, aber doch. Man konnte planen. Und man ist besser bezahlt worden als heute. Ich sehe das bei Lesungen. Für 200 Euro muss man anreisen und irgendwo wohnen, das ist ja nix.
Da jetzt beide Ks im Pensions-alter sind, was ist mit dem K & K Experimentalstudio?
KÖNIG: Das gibt es nicht mehr. Wir nennen uns jetzt MusikTheater-Verein K & K. Aber das ist in Dieters Hand, der mich schon noch immer wieder beschäftigt . . .
Wie schauen da die Honorare aus?
KÖNIG: (lacht) Fair. Er zahlt nicht weniger als wenn er nicht mein Ehemann wäre. Ich weiß, dass er vieles aus seiner Tasche drauf-legt.
Krieg und Frieden. Geburtstagskonzert für und mit Gunda König (Rilkes Cornet; Texte von Katharina Kaufmann u. a.).
Heute, 20 Uhr, Amthof Feldkirchen.
Uschi Loigge