Seit Freitag ist auch in den österreichischen Kinos "Free Rainer" von Regisseur Hans Weingartner zu sehen. In dieser Mediensatire sind Sie ein TV-Produzent, der nach einem schweren Unfall erkennt, dass er für die Verblödung der Gesellschaft mitverantwortlich ist und einen Guerilla-Feldzug gegen die quotenbesessene Unterhaltungsindustrie beginnt. Was halten Sie denn eigentlich als Deutscher vom deutschen Fernsehen?
MORITZ BLEIBTREU: Das Problem ist, dass die Fernsehmacher bei uns die Zuschauer nicht respektieren, sondern nur noch den kleinsten gemeinsamen Nenner suchen. Ich habe nichts gegen Trash-TV, doch es muss gute Alternativen geben. Und die besteht nicht darin, dass Kultursendungen zur Schieß-mich-tot-Zeit laufen, zu der jeder normale Arbeitnehmer schon schläft.
Im Film wird uns vorgeführt, dass in 5.000 Haushalten quer durch Deutschland Quotenmessgeräte stehen und das wird dann mit 13.000 hochgerechnet. Was halten Sie davon?
BLEIBTREU: Das ist doch blanker Hohn! Wenn das Ergebnis dann jeden Tag in den Tageszeitungen steht und nichts weiter diskutiert wird als Quote, Quote, Quote und man ahnt, dass das eine willkürliche Zahl ist - also, da kann man nur auf noch heißere Diskussionen zu diesem Thema hoffen.
Sie haben auch "Das Haus der Lerchen" abgedreht - nach einem Buch von Antonia Arscan, in dem es um den Vökermord der Türken an den Armeniern geht. Gerade jetzt wieder ein besonders heißes Thema. Vor der ersten Vorführung herrschte höchste Nervosität.
BLEIBTREU: Ich hatte keine Angst und lag damit richtig. Die türkische Community in Deutschland hat den Film ruhig aufgenommen. Und was die hohe Politik betrifft: Ich meine, man kann nicht ewig verschweigen, was gewesen ist. Gerade, wenn man in die EU möchte, muss man sich der Vergangenheit stellen. Deutschland musste das ja auch.
Außerdem spielen Sie in "The Walker" von Paul Schrader. Wie war denn die Arbeit mit dem Kult-Regisseur?
BLEIBTREU: Er liebt seine Schauspieler. Da habe ich schon andere Regisseure kennen gelernt. Diese Liebe führt dazu, dass er die Schauspieler auch gerne anhört und ihnen viel Freiheit lässt. Schrader ist nebenbei kein großer Volksredner. Wahrscheinlich lässt er lieber reden und schreibt daher so viele Dialoge. Bei "The Walker" war auch noch großartig, dass Lauren Bacall dabei war.
Haben Sie mit Lauren Bacall über Humphrey Bogart geredet?
BLEIBTREU: Ich habe mich nicht getraut. Aber sie ist eine unglaubliche Frau. Sie beherrscht ihren Text perfekt, ist hellwach, geht energisch durch die Gegend. Unvorstellbar, diese Power! Sie ist immerhin Jahrgang 1924.
In "The Walker" spielen Sie und Woody Harrelson zwei Homosexuelle, es gibt zwischen Ihnen auch eine Kussszene. War's einfach?
BLEIBTREU: So einfach nicht, wie Sie sich vorstellen können. Aber für die Dramaturgie dieser Szene war es wichtig. Also haben wir unser Bestes gegeben. Ich habe dabei an Monica Bellucci gedacht. Da war es dann einfacher.
Sie haben in Ihren Filmen schon Engländer, Spanier, Türken verkörpert. Nicht selbstverständlich für einen Deutschen?
BLEIBTREU: Hängt wohl mit meinem Typ zusammen. Mit blonden Haaren und blauen Augen könnte ich das sicher nicht. Außerdem werden in Deutschland heute so viele gute Filme gemacht. Wenn die Amis sehen, dass es gute deutsche Filme gibt, die noch dazu Geld machen, holen sie auch deutsche Schauspieler nach Hollywood.
INTERVIEW: LUIGI HEINRICH