"In der Bahnstation Zollfeld steigen wir aus dem Zug. Schon vorher waren uns im Waggon Gruppen von wohl gelaunten Burschen unseres Alters aufgefallen, die allem Anschein nach mit dem gleichen Ziel wie wir unterwegs waren. Jetzt drängen sie alle ins Freie; es wimmelt vor Koffern, verschnürten Kartons und Tragtaschen."

Dankbare Nachrede. Was auf den ersten Blick wie eine von Joanne K. Rowlings Ankunftsszenen im Zauberschloss Hogwarts anmutet, entstammt den keineswegs fiktionalen Erinnerungen des Kärntner Autors Engelbert Obernosterer. Als 70-Jähriger hat sich der gebürtige Lesachtaler noch einmal auf die Spuren seiner realen Potter-Jahre begeben und in seinem Buch "Nach Tanzenberg. Eine Lossprechung" so manches ans Tageslicht geholt, was bisherige Zöglingsberichte im Dunkeln ließen: etwa die Großherzigkeit von Lehrern wie Kurt Wagner, der ihm "trotz sechs negativer Schularbeitsnoten" in Mathematik ein Genügend im Jahreszeugnis bescherte. Mit zwei Nicht Genügend hätte der angehende Maturant die Klasse wiederholen müssen. Obernosterers dankbare Nachrede: "Nicht viele Mathematiker schaffen es, dafür einzutreten, dass unter gewissen Umständen das Fazit aus sechs Fünfern ein Vierer ist." Angesichts solcher Erfahrungen ist es wenig verwunderlich, dass das Urteil des Autors über seine sieben Jahre im bischöfliche Knabenseminar milder ausfällt als das seiner Schicksalsgefährten Peter Handke oder Florian Lipus ("Der Zögling Tjaz").

Erkenntnis. Wie eine "im Dunst der Ferne verzitternde Landschaft" kämen ihm seine Jugenderinnerungen vor, meint Obernosterer und nennt die Dinge dennoch beim Namen, erinnert sich ohne Ver(un)klärung denkwürdiger Begebenheiten mit Erziehern und Mitschülern (etwa Valentin Oman) und zeichnet eine komplexe Kindheit zwischen Einbrennsuppe und Malzkaffee, erwachender Pubertät und Gottesliebe, ferialem Heurechen und Madame Bovary. Am Ende der 237-seitigen Erinnerungsarbeit steht die bange Frage, was aus dem Lesachtaler Bergbauernbuben ohne die "Festung" Tanzenberg geworden wäre und die nur wenig tröstliche Erkenntnis: "Schweigen und buckeln müssen ja auch die außerhalb der Internatsmauern; alle im Lande müssen es lernen, je früher desto besser, und am Ende liegen alle mit gekrümmten Rückgraten in den Särgen. Oder mit gebrochenen."