F rau Fritsch, Sie sind eine der umtriebigsten Autorinnen der Gegenwartsliteratur. Woher kommt der Wunsch nach fast permanenter Nicht-Sesshaftigtkeit?
VALERIE FRITSCH: Ich wollte immer schon möglichst weit weg und damit auch ganz nahe an die Dinge heran. Gleich nach der Matura, als ich beschlossen habe, meinen ersten Roman zu schreiben, bin ich nach Äthiopien. Die Landschaft, die Weite, die Menschen, der Tod, all das, was mir dort begegnete, machte mir klar, dass ich nie etwas anderes tun möchte.
Reisen Sie spontan, vielleicht auch aus einem Bauchgefühl heraus? Passend zu einem Ihrer Bücher, "Die Welt ist meine Innerei"?
FRITSCH: Ich reise zumeist ganz spontan. Ohne Pläne, ohne Planung.Aber es gibt natürlich auch Sehnsuchtsorte, die richtig weit weg sind. Je nachdem, wie groß meine Sehnsucht grad wieder ist.
Zum Beispiel?
FRITSCH: Im Endeffekt ist es doch fast immer Afrika - Länder wie Nigeria, Togo, Benin, Ghana. . .
Ist das Reisen, wie Sie es selbst formulieren, die Suche nach allem, was unverbindliche Informationen über die Unendlichkeit gibt?
FRITSCH: Ja, schon. Aber es geht auch darum, in jeder Hinsicht in Bewegung zu sein und das Gehirn mit zu ziehen. Manchmal reise ich ja auch eigenen Gedanken hinterher.
Schreiben Sie unterwegs? FRITSCH: Nur sehr selten. Ich beobachte dort sehr viel, ich denke viel, ich lebe dort sehr intensiv, aber ich schreibe sehr wenig. Ein ein paar Notizen kritzle ich ab und zu in mein Notizbuch, mehr nicht. Manchmal entstehen daraus, glaube ich, schöne Sätze, die ich nachher aber meistens nicht mehr lesen kann.
Es gibt auch wunderbare Bilder von diesen Reisen. Wie wichtig ist Ihnen die Fotografie?
FRITSCH: Das Fotografieren ist nur ein Pünktchen auf dem I. Da liegt sicher nicht so viel Herz drin wie in der Literatur. Aber ich mag das Gefühl, dass in ein paar Sekunden die Welt für ein Foto, für einen kurzen Moment, still steht.
Sie galten schon mit 17, 18 Jahren als enorme Vielschreiberin.
FRITSCH: Ich weiß ja nicht, wo da das Maß liegt. . .
Auch wieder wahr. Eigentlich gibt es ja keines. Dies hätte uns alle wohl von einigen entbehrlichen Büchern verschont.
FRITSCH: Mag sein. Ich schreibe, wenn ich etwas zu schreiben habe und wenn ich nichts zu sagen habe, schreibe ich halt nicht. Das ist die einzige Regel.
Also gibt es keinerlei selbst auferlegtes Schreibpensum?
FRITSCH: Nein. Aber es gibt schon Phasen, in denen ich ganz besessen bin von dem Wunsch, dem Bedürfnis, etwas zu schreiben oder fertigzustellen. Dann schreibe ich täglich stundenlang, bis ich mich im Spiegel nicht mehr wiedererkenne oder die Socken vor lauter Verwirrtheit in den Kühlschrank räume. Manchmal muss das einfach sein. Und dann gibt es wieder Zeiten, wo ich keinerlei Schreibgerät oder gar den Laptop sehen will. Dann will ich einfach richtig leben, mit allem, was dazugehört. . .
Sie sind jetzt beim Suhrkamp-Verlag unter Vertrag. Was bedeutet der Verlagswechsel für Sie?
FRITSCH: Er stand recht weit oben auf meiner Liste jener Dinge, die ich gerne noch vor meinem 25. Geburtstag machen oder erledigen würde. Also Suhrkamp-Autorin zu werden. Es ging sich zeitlich gerade noch aus . . .
2015 wird bei Suhrkamp Ihr erstes Werk erscheinen?
FRITSCH: ja. Es ist ein Roman mit dem Titel "Winters Garten" - über eine mystische Gartenkolonie, in der alles wächst, gedeiht und verfällt mit dem Wechsel der Jahreszeiten. Aber es ist auch eine Familiengeschichte. Eigentlich fast ein klassischer Roman.
Sie sind in Graz geboren, aber zum Teil auch in Kärnten aufgewachsen. Pendeln Sie noch? FRITSCH: Ja, ich habe eine wunderbar verrückte Großmutter in Kärnten. Sie lebt auf einem wild-romantischen Bauernhof nahe bei Klagenfurt und ist für mich natürlich auch literarisch sehr inspirierend.
Wäre in absehbarer Zeit auch das Theater, das Stücke-Schreiben ein Thema für Sie? FRITSCH: Manchmal beschäftige ich mich damit, aber nicht richtig. Weitaus mehr interessiert mich der Film, da sehe ich mich richtig.
Als Drehbuchautorin oder als Regisseurin?
FRITSCH: Beides zusammen.
Sollte es morgen noch Fragen geben, wo wären Sie eventuell erreichbar? Spontan beantwortet.
FRITSCH: Spontan? Usbekistan oder Tadschikistan. Vielleicht. INTERVIEW: WERNER KRAUSE