Als Mari die noch warmen Forellen in tiefe Formen legt und die Mischung aus saurer Milch, Knoblauch und Salz darübergießt, ist ihre Welt noch einigermaßen in Ordnung. Das ist auf Seite 83.

Gut, sie ist als 17-Jährige einfach weg. Zu Ettore. Dann von Ettore zu Björn, bis der weg war. Sie hat einen feucht-fröhlichen Abend in einem Lokal namens "Grelle Forelle" hinter sich, eine ekelige Nacht mit dem Psychologen Kilian, der wollte, dass sie ihm ins Gesicht pinkelt. Und sie fragt sich bereits, was dieses "Recken" - ein anfallsartiges Würgegefühl - soll. Aber sonst?

Die bosnische Vorspeise (s. o.) ist genau das Richtige für einen heißen Tag. Ihre Kinder, die Zwillinge Mimi und Max, fahren nach Triest in die Ferien. Mari hat mit ihrer Freundin Vera telefoniert, die Buchungen für den "Privaten Abendtisch" sind zufriedenstellend. Das Geschäft läuft gut.

Obwohl bei der Ankündigung zum neuen Roman von Simone Schönett darauf hingewiesen wurde - der jede Vorstellungskraft sprengende frühe Kindesmissbrauch als Auslöser von Maris Würgeattacken kommt wie ein Schlag in die Magengrube. Wie ist das, wenn man familiäre Geborgenheit und Schutzbedürfnisse Jahrzehnte später hinterfragen muss? Wenn sich (nur) der Körper zu erinnern beginnt, weil der Verstand dieses "Etwas" gar nicht fassen kann? Wie ist das, wenn es weder Rache noch Entschuldigung gibt?

Schönett gibt ihren plastisch gezeichneten Personen die Möglichkeit der Schwarz-Weiß-Malerei, bleibt aber als Erzählerin bewundernswert distanziert und baut mit . . . ja, dynamischer Ruhe die Spannung auf. Maris Bienenwabenhaus, in dem sich jedes Zimmer nach außen öffnet, wird zur Metapher dafür, dass nur im Innern etwas schlummern kann, das (irgendwann) heraus muss.

Keiner wird das hören wollen, lässt Simone Schönett ihre Protagonistin zu Beginn vermuten. Was für ein Irrtum.