Eine Brücke, Männer in Zivil, Soldaten. Die Männer werden von den Soldaten gezwungen, von der Brücke in den Fluss zu springen und als schwimmende Zielscheiben verwendet. Von den Männern sollte nur einer überleben: Rajif Begi.
Er ist der Protagonist in "Svjedok - Der Zeuge" - dem zweiten Film des Villacher Haris Bilajbegovic, der sich mit dem Schrecken des Bosnienkrieges (1992 - 1995) auseinandersetzt.
"Ich wollte anfangs nicht, dass aus dem, was ich erlebt habe, ein Film wird. Jetzt aber bin ich froh, dass er da ist und damit auch die Opfer weiterleben", sagt Begi, der bei der Premiere am Samstag im Filmstudio Villach anwesend war. Voraussetzung für seine Zustimmung war, dass im Film nichts überzeichnet wird, sondern alles so dargestellt wird, wie es wirklich war. Und das hat Bilajbegovic mit einer Mischung aus Schilderungen von Begi und nachgestellten Szenen eindringlich geschafft. Der Film macht einem bewusst, wie schnell ein freundschaftliches Klima durch Propaganda und Hetze in ein feindliches und letztlich tödliches umschlagen kann. "Wir haben in unserem Dorf Begii friedlich miteinander gelebt. Die unterschiedlichen Nationalitäten und Religionen spielten keine Rolle", sagt Begi. "Bis der Krieg anfing." Denn das einzige Verbrechen der auf der Brücke von Vrhpolje ermordeten Männer war ihr muslimischer Glauben.
Dass Begi sowohl den Sprung ins Wasser, als auch den anschließenden Kugelhagel der serbischen Soldaten überlebt hat, sah er als Verpflichtung: Diejenigen, die für diese Verbrechen verantwortlich waren, sollten auch bestraft werden. Deshalb hat er sich entschlossen, vor dem Den Haager Kriegsverbrecher-Tribunal und dem Obersten Gerichtshof von Bosnien und Herzegowina gegen sie auszusagen. Auch wenn das ganze oft ein Geduldsspiel ist. Denn die letzten beiden Kriegsverbrecher Ratko Mladi und Goran Hadi wurden erst 2011 gefasst. "Man hat fast den Eindruck, als hätte es kein besonders großes Interesse daran gegeben , diese Verbrecher zu fassen", sagt Begi.
Der nächste Termin in Den Haag ist für Juli angesetzt, wo er auch gegen den serbischen Ex-General Mladi aussagen wird. "Ich schaue den Verbrechern ins Auge, ich will wissen, wie sie sich fühlen", sagt Begi. Auch wenn sein Bruder, Bekannte und Freunde auf der Brücke ermordet wurden, hege er keinen Hass. "Es gibt Dinge, die ich nicht verzeihe und vergessen kann, das ja. Aber ich will einfach leben, wie es andere Leute auch tun."
Massengrab
Für Haris Bilajbegovic, der selbst bosnische Wurzeln hat, ist es der zweite Film, der auf einer wahren Begebenheit im Bosnienkrieg beruht. Im Kurzfilm "Most - the Bridge" (2006) spielt sein Großvater die Hauptrolle. "Er wurde damals gezwungen seinen 17-jährigen Sohn auf der Brücke zurückzulassen", erzählt Bilajbegovic. Als der Film gedreht wurde, wusste man noch immer nicht, was mit den insgesamt 13 jungen Männer, die damals gefangen genommen wurden, passiert war. "Erst 2010 wurden ihre Leichen in einem Massengrab gefunden", sagt Bilajbegovic. Dass er für seine Filme kaum finanzielle Unterstützung fand - "Svjedok - Der Zeuge" wurde nur mit etwas mehr als 4000 Euro produziert -konnte ihn aber nicht davon abhalten, dieses Projekt zu verwirklichen. "Mein Ziel war es, den Kriegsopfer aus Bosnien und Herzegowina ein Denkmal in Form eines Films zu errichten."
HARALD SCHWINGER