Noch grasen die Kühe friedlich neben dem Holzbau, der gerade auf einer Anhöhe in Obertilliach in klassischem Tiroler-Stil aus dem Boden gestampft wird. Glaubt man Gerüchten, die derzeit im 700-Seelen-Dorf in Osttirol kursieren, wird dem Haus in naher Zukunft kein allzu gnädiges Schicksal zuteilwerden. "Es soll in die Luft gesprengt werden, möglicherweise wird auch ein Flugzeug hineinfliegen", erzählt Emil Figl, unmittelbarer Nachbar. Obwohl, so richtig könne er sich das nicht vorstellen. "Es ist ja so stabil gebaut", sagt er und bringt noch eine dritte Variante ins Spiel. Von einem Abtransport nach England ist auch die Rede. Wenn alles vorbei ist, versteht sich. Aber nichts Genaues weiß man eben nicht. Oder man weiß es, breitet aber einen Mantel des Schweigens darüber.
Eines ist aber trotz aller Topsecret-Vorkehrungen durchgedrungen: Das malerische Dorf soll im neuen "James Bond"-Film mit Hollywoodstar Daniel Craig als Kulisse herhalten, das noch nicht ganz fertiggestellte Haus Teil einer Action-Szene werden. Das Bauareal ist abgesperrt und wird bewacht von einem Security-Mann, der mit eher finsterem Gesichtsausdruck seinen Job erledigt. Auf Medienleute ist er nicht besonders gut zu sprechen. Kein Wunder. Wurde er doch, ohne seine Erlaubnis, heimlich vor dem zu bewachenden Objekt fotografiert und fand sich am nächsten Tag in der Zeitung. "So geht es wohl auch nicht", schimpft er. Später beweist er dann aber doch noch Humor. "Gebaut? Hier wird nichts gebaut. James Bond? Nie gehört."
Aber von Action ist derzeit ohnehin noch keine Spur, ganz im Gegenteil. Obertilliach wirkt fast wie ausgestorben. Kein Wunder. Die Sommersaison ist zu Ende, die Wintersaison hat noch nicht begonnen, nur die dicken Wolken, die in den Spitzen der Dolomiten festhängen, lassen ahnen, dass es nicht mehr allzu lange dauern wird, bis die Wiesen unter einer dicken Schneedecke verschwinden. Eine zufällig vorbeispazierende Frau ist etwas gesprächiger als der Security-Mann. "Wir sind ja nicht eingeweiht, niemand weiß, was genau passieren wird. Wenn man sich vorstellt, dass das alles explodieren soll." Dabei sein wolle sie jedenfalls, wenn es losgeht. Das soll im Jänner oder Februar der Fall sein. Dass man viele Stars zu Gesicht bekommen werde, glaubt sie nicht. "Es wird ja alles abgesperrt." Nicht alle in Obertilliach sind so auskunftsfreudig und einige Versuche, den Bewohnern etwas zum Geheimagenten Ihrer Majestät zu entlocken, schlagen fehl. "Dazu kann ich nichts sagen, da fragen Sie mich zu viel." Selbst im Gasthaus Unterwöger gibt man sich verschlossen. "Ich weiß nicht, was hier gedreht wird", sagt Chefin Helene Lugger. "Wir sind aber für jeden Film geeignet, ob es nun Heidi oder Dornröschen ist, ganz egal." Wenigstens liefert sie für ihre Unkenntnis ein Argument. "Wir haben eine Erklärung abgegeben, nichts zu diesem Thema zu sagen."
Das ganze Dorf ist Kulisse
Wenn man durch die engen Gassen von Obertilliach geht, kommt es einem vor, als wäre die Zeit stehen geblieben. Das hat wohl auch damit zu tun, dass der Ortskern unter Denkmalschutz steht. Man könnte fast meinen, das gesamte Dorf wäre nur eine Art Attrappe, eigens geschaffen für Filme aus dem bäuerlichen Milieu vergangener Jahrhunderte. In dieses Bild passt auch Adolf Mitterdorfer (79), der vor seiner alten Scheune Holz spaltet. Unwillkürlich drängt sich die Frage auf, wie sich James Bond ausgerechnet hier her verirrt hat? "Mich interessiert das gar nicht", sagt Mitterdorfer. "Aber für uns ist das sicher eine gute Werbung." Und auch wenn es ihn nicht weiter kümmert, sei er doch bereit, als Statist mitzumachen. Es wäre nicht seine erste Rolle. "Beim Film ,Tränen der Dolomiten' war ich auch dabei", erzählt Mitterdorfer. Seine Chancen stehen diesbezüglich gar nicht so schlecht. "Rund 200 Personen werden noch gesucht, die bei einem großen Projekt mitarbeiten wollen", sagt der Lienzer Outdoor-Guide Thomas Zimmermann. Via Facebook. Denn offiziell geschieht in Obertilliach ja gar nichts. "Je geheimnisvoller, desto interessanter wird es", ist Zimmermann überzeugt.
"Nur im Jänner, da wird es schon recht kalt hier oben", gibt Mitterdorfer zu bedenken, ohne sich in seiner Arbeit irritieren zu lassen. "Heuer hatten wir neun Meter Schnee." Ein Grund dafür, dass der Bauer Josef Mitterdorfer nicht daran glaubt, dass der Film viele Gäste in den Ort bringt. "Wer soll denn in dieses Schneeloch kommen?", fragt er. Und "James Bond"-Filme kenne er ohnehin nicht. Sean Connery? Roger Moore? "Der Spion, der mich liebte"? "Die Lizenz zum Töten"? Mitterdorfer schüttelt energisch den Kopf. "Ich schaue nur Zeichentrickfilme, da brauche ich mich wenigstens nicht zu ärgern."