Ungeheuerliche Neuigkeiten! Eduard von Bauernfeld berichtet in der „Neuen Freien Presse“ vom 21. März 1877 (Morgenblatt) in seinen Erinnerungen an Ferdinand Raimund und Johann Nestroy (zu diesem Zeitpunkt seit 15 Jahren tot) „in den Scenen, in denen er (Nestroy) nicht beschäftigt war, zog er sich in seine Garderobe zurück – nicht selten in angenehmer Gesellschaft.“ Seit der ausschweifende Lebenswandel des Direktors Nestroy Causa publica geworden war, munkelte man offen, Nestroy sei wie sein Vorgänger hinter den Choristinnen her gewesen. Damit nicht genug hatten Nestroy seine „notorisch galanten Aventuren“ noch drei Jahre vor seinem Tod hoch in den Fünfzigern tatsächlich vor Gericht gebracht, wegen eines Vaterschaftsprozesses, in dem Nestroy bestritt, er habe eine siebzehnjährige Schauspielerin des Carltheaters verführt. Nestroy, der Trump(el) des neunzehnten Jahrhunderts?
Nestroy-Gala muss umbenannt werden
Selbstverständlich darf die „Nestroy-Gala“ nach diesen Erkenntnissen ab sofort nicht mehr „Nestroy-Gala“ heißen. Sämtliche bereits stattgefundenen Nestroy-Galas (Galen? Gali? Galae?) werden rückwirkend für ungültig erklärt, und sämtliche Nestroy-Preisträger (und Nestroy-Preisträgerinnen) müssen ihre Nestroys zurückgeben. Tja, lieber Felix Mitterer, leider, leider! Pech gehabt! Lieber Tom Neuwirth, sorry! Tut mir leid, liebe Emmy Werner! Es stehen die Tatbestände der Ausnützung eines Abhängigkeitsverhältnisses, die Verletzung des Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung, Sexualmissbrauch wenn nicht Vergewaltigung im Raum. So nicht, Nepomuk! Arme Emmy Werner! Meine liebe, gute, alte Volkstheater-Directrice…! Stattdessen wird jetzt der Nespiesni verliehen…
Kein Nestroy-Stück mehr auf den Spielplänen
Bis zur endgültigen Klärung des Vorgefallenen sind sämtliche Intendant*innen sämtlicher Bühnen angehalten, Machwerke wie Einen Jux will er sich machen, Der böse Geist Lumpazivagabundus, Der Zerrissene, Freiheit in Krähwinkel oder Der Zauberer Sulphureletcrimagneticophosphoratus und die Fee Walpuriblockbergiseptemtrionalis und schließlich Häuptling Abendwind nicht mehr auf ihre Spielpläne zu setzen oder von dort zu entfernen. Dasselbe gilt für Amateursommertheatertruppen in der Provinz. Schließlich muss – horribile dictum - außerdem Nestroys Ehrengrab in ein „historisches Grab“ umgewidmet werden. Man muss ein Zeichen setzen!
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Egyd Gstättner