Selbst der frisch gebackene Nobelpreisträger für Physik, Geoffrey Hinton, zeigt sich skeptisch, so ganz vertraut er der künstlichen Intelligenz nicht – im Gegenteil, dabei gilt seine Forschung als eine der Grundlagen für die KI-Entwicklung der letzten Jahre. Mahnende Worte, die wir gerne als Zukunftsmusik mit zu vielen undefinierten Komponenten abtun. Kann alles sein, aber muss es doch nicht, oder?
Das Spiel, als alternative Spielwiese auf dem Weg zum Erkenntnisgewinn, ist die diesjährige Ausstellungs-DNA vom ESC Medien Kunst Labor. Das Spiel als kreativer Akt, als Werkzeug der Grenzüberschreitung, als Alternative zu eingefrorenen Denkmustern, die nur mehr beschränkt zu einer gesellschaftlichen Weiterentwicklung beitragen. Die Kunst ist dem Spiel naturgemäß ganz nahe, ein Ausprobieren, ein Erkennen und der Regelbruch, der systemimmanent ist. Bernd Lintermann und Florian Hertweck vereinen in „TRUST AI“ gruselig-fabelhaft gleich alle drei Komponenten. Es pixelt ordentlich am Schirm, die Frau schüttelt ihren Kopf, fast so, als müsse sie das Unperfekte abschütteln. Und dann schaut sie einen an, sehr freundlich, sehr sympathisch und bittet dich, im charmanten Plauderton, doch bitte näher zu kommen, dich zu setzen und eine bisschen zu tratschen.
So schnell kann man gar nicht schauen, wie man selbst zur vertrauensseligen Plaudertasche wird. Und man will ja nicht spoilern, aber irgendwann merkt man ziemlich dramatisch, dass man selbst zum Spielball der Künstlichen Intelligenz geworden ist. Aber reicht das aus, um den Mahnern schon vollends zuzustimmen? „TRUST AI“ öffnet durch das Erleben dieses Mensch-KI-Dialogs eine gigantische gedankliche Spielwiese, in deren Zentrum auch jene Fragen stehen: Wer wird der Spielmacher? Wer gibt die Regeln vor? Und wer wird sie brechen?
Adam Harvey hingegen, der hat mit seinem Konzept „CV Dazzle“ nicht nur die Technik, sondern ein ganzes System spielerisch ausgetrickst. Gesichtserkennung im öffentlichen Raum ist längst zum Standard geworden, vielfach ist es eines der wichtigsten Werkzeuge von Überwachungsstaaten. Harvey hat 2010 im Rahmen seiner Masterarbeit eine Tarnung entwickelt, die es dem Viola-Jones-Gesichtserkennungsalgorithmus unmöglich machte, Gesichter zu erkennen. Für Menschen hingegen war das Erkennen der Gesichter kein Problem. Harvey hat der Maschine den kreativen Fehdehandschuh hingeworfen: Die Tarnung waren ausgeklügelte Formen von Make-up und Frisuren.
„Who Is Playing With Us?“, bis 8. November 2024. ESC Medien Kunst Labor, Bürgergasse 5, 8010 Graz. esc.mur.at