Die Südkoreanerin Han Kang (53) gewinnt den Literaturnobelpreis des Jahres 2024. Diese Entscheidung hat die Schwedischen Akademie am Donnerstag in Stockholm bekanntgegeben.
Die 53-Jährige wird „für ihre intensive poetische Prosa, die sich mit historischen Traumata auseinandersetzt und die Zerbrechlichkeit des menschlichen Lebens offenlegt“, ausgezeichnet, so die Kurzbegründung der Akademie. Erneut gingen damit die Favoriten der Buchmacher, die Chinesin Can Xue und der Australier Gerald Murnane, leer aus.
Kommentar
Internationale Beachtung
Han Kang (53) gilt als wichtigste Stimme Koreas. Seit sie für den abgründigen Roman „Die Vegetarierin“ 2016 den Man Booker International Prize erhielt, haben ihre Bücher auch international Beachtung gefunden – auch ihr Roman „Weiss“ war für den Booker Prize nominiert. Alle fünf auf Deutsch übersetzten Romane sind im Aufbau-Verlag erschienen.
Han Kang ist die Tochter des Schriftstellers Han Seung-won. Sie ist 1970 in Gwangju, Südkorea, geboren, studierte Koreanische Literatur an der Yonsei Universität in Seoul. Ihre literarische Karriere begann 1993 mit der Veröffentlichung von fünf Gedichten, darunter „Winter in Seoul“, für ihre Kurzgeschichte „Belgeun dat“ wurde sie erstmalig mit einem Literaturpreis ausgezeichnet. Ihr Roman „Die Vegetarierin“ handelt von einer jungen Frau, die gegen Familie und Freunde rebelliert, indem sie Vegetarierin wird. In „Menschenwerk“ schildert Han das Massaker an Studenten von 1980 in der Stadt Gwangju, sie wollte dabei der Frage nachgehen, wie solch extreme Gewalt verhindert werden kann. In „Deine kalten Hände“ schrieb sie über einen Bildhauer, dessen Inspirationsquelle eine Studentin ist, die als Kind missbraucht wurde und aus Protest hungert.
Im Roman „Deine kalten Hände“ (auf Deutsch 2019) ging es um Frauen, die eine Essstörung haben, um patriarchale Machtverhältnisse und den männlichen Blick auf den weiblichen Körper. 2020 erschien ihr Buch „Weiß“ auf Deutsch, in dem sie in poetischen Verdichtungen und Reflexionen ihre unmittelbar nach der Geburt gestorbene, nie gekannte Schwester betrauerte. Zuletzt erschien in diesem Jahr ihr Roman „Griechischstunden“, in dem sie die Geschichte zweier gewöhnlicher Menschen erzählt, die sich in einem Moment privater Angst begegnen.
Derzeit lehrt sie kreatives Schreiben am Kulturinstitut Seoul. Sie lebt in der südkoreanischen Hauptstadt.
Der Preis ist heuer mit elf Millionen Schwedischen Kronen (970.000 Euro) dotiert. Im Vorjahr ging die prestigeträchtigste Auszeichnung der Literaturwelt an den Norweger Jon Fosse. Die Verleihung findet traditionell am 10. Dezember statt, dem Todestag des Stifters Alfred Nobel.
Seit 1901 wird der Literaturnobelpreis vergeben. Seit heute Mittag steht fest, dass die Südkoreanerin Han Kang den Preis 2024 erhalten wird. 14 deutschsprachige Autorinnen und Autoren bekamen bisher die renommierte Auszeichnung, zuletzt 2019 der Österreicher Peter Handke. Zuvor ging sie etwa an Elfriede Jelinek (2004), Heinrich Böll (1972), Hermann Hesse (1946) oder Thomas Mann (1929).
Das waren die Favoriten
Als Favoritin für den diesjährigen Nobelpreis für Literatur galt die Chinesin Can Xue (mit bürgerlichem Namen Deng Xiaohua). Sie zählt zu den wichtigsten Vertreterinnen der experimentellen Avantgarde Chinas.
Spekuliert wurde im Vorfeld viel und ausgiebig: Zu den Dauerfavoriten gehörten die kanadische Autorin Margaret Atwood, der indisch-britische Schriftsteller Salman Rushdie, der 2022 bei einem Messer-Attentat schwer verletzt wurde, und der Japaner Haruki Murakami. Sie werden seit Jahren von den Online-Wettanbietern hoch gehandelt.
Ebenfalls hoch im Kurs stand die kanadische Autorin Anne Carson, die in ihrer Heimat und den USA als eine der wichtigsten Stimmen der zeitgenössischen Lyrikszene gehandelt wird. Unter den Männern fielen oft die Namen des Argentiniers César Aira und des Australiers Gerald Murnane.
20 Jahre nach der Verleihung des Literaturnobelpreises an Elfriede Jelinek und fünf Jahre nach Peter Handke fand sich heuer wieder ein Österreicher auf den vorderen Rängen der Buchmacher. Es war aber nicht – wie in den Jahren zuvor – Christoph Ransmayr, sondern überraschenderweise der in Hamburg lebende Tiroler Schriftsteller Norbert Gstrein.