Augenblicke“ nennt sich dieses sonntägliche Format und man stelle sich vor, man müsste selbst über diesen Laufsteg marschieren: So viele Augen, die auf einen gerichtet sind. Jane Fonda ist es gewohnt: Kind einer Hollywooddynastie, ein Leben im Rampenlicht, kein Schattendasein, aber frei von Schatten? Natürlich nicht. Die 86-Jährige musste viele Schatten abschütteln, darunter das Sexsymbol abstreifen und die ewige Fitnessqueen loswerden. Aber seit ein paar Jahren füllt sie eine neue Rolle aus – die der Königin der fortgeschrittenen Silverager. Wie diese Woche bei der Fashionweek in Paris als Testimonial eines Kosmetikkonzerns. Wobei ihre Rolle als Vorreiterin noch nicht final festgeschrieben ist: Ist sie Teil eines gesellschaftlichen Wandels oder doch mehr einer gigantischen Verkaufsmaschinerie? Unsere Gesellschaft und das Alter, das ist nicht komplex, sondern sogar recht einfach: Als wäre das Älterwerden eine lebensfeindliche Terra incognita, an deren Grenzen wir alle wie die Esel abbremsen und stur das Weitergehen verweigern.
Das liegt nicht zuletzt daran, dass sich seit Jahrtausenden der Jugendkult wie ein schleichendes Gift in vielen Kulturen und Köpfen festgesetzt hat. Haben ausgerechnet jetzt Jane Fonda und ihre Mitstreiterinnen das Momentum auf ihrer Seite? Just in einer Welt der digitalen Bilderflut, wo Filter uns Schönheit vorgaukeln und künstliche Intelligenz das perfekte Aussehen so auf die Spitze treibt, dass sich der Mensch wie ein Mängelexemplar vorkommt? Wo die Sehnsucht nach Langlebigkeit unendlich viele Bücher, Podcasts und Regale mit Nahrungsergänzungsmitteln füllt? Vielleicht stehen wir ja an diesem berühmten Tipping-Point, dem Kipppunkt, der einen gesellschaftlichen Wandel einläutet. Aber Halt, jetzt haben wir uns wieder von der Schönheit blenden lassen und auf die wichtigste Ressource des Alters vergessen: Wissen und Erfahrung. Aus dem Japanischen stammt übrigens der Begriff „mottainai“, er bezeichnet das Bedauern darüber, dass man etwas ungenutzt gelassen hat. Was sind wir doch alle für Esel!