Da ist es wieder, das Gesicht, das unerschrocken der Zukunft entgegenblickt. Man kennt es aus den Obama-Jahren, es versprach den USA Hoffnung für kommende Zeiten, „Yes we can“ war das Motto. Diesmal ist das grafisch verklärte Antlitz weiblich, und die Parole ist es auch: „Yes we Kam“ macht im Internet die Runde, in Hommage an Kamala Harris, die jüngst von Joe Biden die demokratische Präsidentschaftskandidatur übernommen hat. Ihr Gesicht ist auf etlichen der Bilder leicht grünlich – eigentlich nicht die kleidsamste Farbe. Kamala Harris aber schmeichelt sie gerade ungemein. Denn grelles Grasgrün ist die Farbe dieses Sommers.

Jedenfalls für die Angehörigen der Generation Z, der ganz jungen Wählerschicht also, der in den USA zugetraut wird, diese Präsidentschaftswahl mitzuentscheiden – wenn sie denn zur Wahl geht. Die gilt es also zu mobilisieren, mit allen Mitteln, vor allem via Social Media, und da haben die Demokraten derzeit eindeutig die Nase vorn. Dank Harris, denn seit ihrem überraschenden Einstieg in den Präsidentschaftswahlkampf gilt sie in der Generation Z als „brat“. Und wer „brat“ ist, hat den aktuell wichtigsten CoolnessNachweis schon erbracht, zumindest für den weiblichen Teil der Bevölkerungsschicht. Popstar Charlie XCX hat gerade das Hitalbum „brat“ veröffentlicht – und das Wort Harris als Ehrentitel angeheftet: „Kamala Harris IS brat“, twitterte sie.

Selbstbewusst, laut, unartig

Aus dem Englischen ist das Wort nicht ganz bedeutungsgetreu übersetzbar, im Deutschen funktioniert am besten Gör oder Wildfang. Auf gut österreichisch: Gfrast. Gfrast sein, lautet also das gegenwärtige Verhaltensideal unter jungen Frauen, und das heißt: selbstbewusst, laut, unordentlich, unartig sein. Es ist ein bewusster Gegensatz zu einem Frauenbild, das Eigenschaften wie Freundlichkeit, Fleiß, Beherrschtheit, Perfektion als typisch weiblich propagiert. Und Kamala Harris erweist sich als die perfekte Projektionsfläche für alle, die „brat“ sein wollen.

Ihr wird zugetraut, Donald Trump Paroli zu bieten, in Fernsehdiskussionen genauso wie in den Wahllokalen. In ersten angriffslustigen Reden hat sie ihn schon kräftig durchgebeutelt. Das gibt auch popkulturellen Schwung, sichtbar in den zahllosen Memes und Videos mit Harris, die derzeit allenthalben geteilt werden. In denen sieht man sie ausgelassen tanzen. Oder die schrulligen Sprüche zitieren, mit denen ihre Mutter sie einst ermahnte: „You think you fell out of a coconut tree?“ Nein, Kamala Harris ist weder aus der Kokospalme gefallen, noch ist sie (wohl die passendere Übersetzung für die mütterliche Rüge) auf der Nudelsuppe dahergeschwommen.

Hoffnung für eine junge Wählergeneration

Als Vizepräsidentin war sie mit in den USA nicht eben populären Fragen rund um Klimakrise und Migration betraut, als Wahlwerberin steht sie für typische Themen der Demokraten, für Bildungs-, Justiz und Sozialreformen also, für ein schärferes Waffenrecht, in Frauenfragen gegen die Verunmöglichung des Schwangerschaftsabbruchs. Alles Themen, die das Zeug haben, der jungen Wählergeneration Hoffnung zu geben. Auch deswegen passt als Farbe der Hoffnung diesmal gfrastgrün.