Jeremy Allen White in
Jeremy Allen White in "The Bear" © FX/AP

Die Streamingwelt giert ja förmlich nach dem Moment, wo es jemand laut ausspricht: Das könnte die Serie des Jahres werden! Dieser Titel wurde der Serie „Shōgun“ (Disney+) zum Start im Februar zumindest in Aussicht gestellt. Ein paar Monate später hat sich die Möglichkeitsform erübrigt: Mit 25 Nominierungen führt die Disney-Produktion die diesjährige Liste der Emmy-Nominierungen an. Überflügelt hat sie damit nicht nur das Original, das in den 1980er-Jahren mit Richard Chamberlain als portugiesischen Navigator in japanischer Gefangenschaft, auf immerhin 14 der sogenannten „Fernseh-Oscars“ kam. Auch das restliche Serienuniversum kann da nur das Knie beugen. Wobei Platz 2 auch im dienenden Sektor mit royalem Umfeld angesiedelt ist.

In „The Bear“ steht bekanntlich eine Küchenmannschaft wie ein Druckkochtopf unter permanenter Spannung, während im Gastraum der Kunde König ist. Auf immerhin 23 Nominierungen kommt die zweite Staffel der Serie, von der – „The Bear“-Fans wissen es genau – die dritte Staffel in den USA gerade angelaufen ist (bei uns ist der Serienstart erst am 14. August). Dass jetzt die zweite Staffel ins Emmy-Rennen geht, ist dem Regelwerk geschuldet: Die nominierten Serien mussten zwischen 1. Juni 2023 und 30. Mai 2024 ausgestrahlt worden sein. Das dürfte jetzt wohl auch „Succession“-Fans beruhigen, die finale Staffel der Serie rund um eine machthungrige Medienfamilie ist im Vorjahr schon im März angelaufen.

Sonst hätte die Verteilung vermutlich anders ausgeschaut, aber „Shōgun“ erweist sich als würdiger Nachfolger in den Disziplinen Messer wetzen, Hackl schmeißen und Intrigen spinnen. Eleganter und mit geringerem Blutzoll, aber nicht weniger unerbittlich kämpfen seit jeher die Protagonisten von „The Crown“, um im königlichen Schachspiel mehr als nur der Bauer zu sein. Auch die sechste Staffel von „The Crown“ holt pflichtgemäß ihre übliche Tranche an Emmy-Nominierungen ab. 18 Mal ist die Netflix-Serie nominiert.

Am Thron sitzt der Streamingriese nur den Abonnentenzahlen nach: rund 270 Millionen waren es im ersten Quartal 2024. Da reicht Disney+ mit knapp über 150 Millionen (2. Quartal) noch lange nicht heran. Bei den Emmy-Nominierungen ist der Mauskonzern dieses Jahr jedoch ungeschlagen: Neben „Shōgun“ und „The Bear“ holt sich Disney+ auch noch den dritten Platz auf dem Emmy-Siegertreppchen: „Only Murders in the Building“ geht mit 21 Nominierungen in den Galaabend am 15. September.

Total royal: Imelda Staunton und Jonathan Pryce in „The Crown“
Total royal: Imelda Staunton und Jonathan Pryce in „The Crown“ © AP/Netflix

Ansonsten gibt es auf der Nominiertenliste jede Menge alte Bekannte: „The Morning Show“ (16 Nominierungen), „Hacks“ (16 Nominierungen), „Abbott Elementary“ (neun Nominierungen) oder auch „Slow Horses“ (neun Nominierungen). Als Überraschungskandidat entpuppt sich die weniger gelungene Serienversion von „Mr. und Mrs. Smith“ (Amazon Prime), die immerhin 16 Nominierungen abräumen konnte. Darunter auch für die Hauptdarsteller Maya Erskine und Donald Glover. Überraschend ist auch die Nominierung in der Kategorie „Bestes Drama“ für die Netflix-Serie „3 Body Problem“, die von vielen Fans seit Jahren sehnsüchtig erwartet wurde. Die Serienumsetzung der „Trisolaris“-Trilogie des chinesischen Schriftstellers Liu Cixin ist zwar eine solide Sci-Fi-Ware, aber das große Aha-Erlebnis ist ausgeblieben.

Es ist kein Geheimnis, warum die Erwartungen so hoch waren: Hinter dem Projekt stehen die „Game of Thrones“-Macher David Benioff und D. B. Weiss. Aus diesem Schatten ist übrigens noch keine Serie hervorgetreten. Noch spannender als der Titel „Die Serie des Jahres“ ist also die Antwort die Frage: Welche Serie übertrumpft „Game of Thrones“?