Hip-Hop, Gothic, Eurodance-Pop – der 68. Eurovision Song Contest präsentiert sich wie gewohnt abwechslungsreich, bunt und schrill. Jetzt stehen auch fix die 26 Teilnehmerinnen und Teilnehmer für das große Finale am Samstag fest. In den beiden Semifinalen in Malmö taten 37 Bewerber gegeneinander an, 20 Acts haben sich schließlich qualifiziert. Bereits für das Finale gesetzt sind wie immer die fünf großen Geldgeberländer Deutschland, Frankreich, Spanien, Großbritannien und Italien. Hinzu kommt heuer Schweden als Vorjahressieger.
Startplatzglück für Kaleen?
Übrigens: Es gibt ein paar scheinbar eherne Gesetze beim Eurovision Song Contest. Und eines davon scheint zu sein, dass man mit den vorderen Startplätzen im Finale keine ESC-Krone ergattern kann. Zumindest wiesen bis zum Sieg von Loreen 2023 alle Gewinnerinnen und Gewinner der vergangenen 20 Jahre zumindest eine zweistellige Startnummer vor. Zwölf traten gar in der zweiten Hälfte des Musikbewerbs auf.
Insofern wäre das Ganze ja kein schlechtes Omen für Österreichs heurige Kandidatin Kaleen, die mit ihrem Technopopsong „We Will Rave“ Startnummer 26 ausgefasst hat und damit den Abend beschließen wird. Respektive können sich mit dem Kroaten Baby Lasagna (Nr. 23) und dem Schweizer Beitrag von Nemo (21) auch zwei der Topfavoriten berechtigte Hoffnungen auf den heurigen Sieg machen. Anders sieht es da bei Israels Vertreterin Eden Golan aus, die ebenfalls zu den Favoriten zählt. Die 20-Jährige muss schon als Sechste auf die große Bühne von Malmö steigen.
Die ESC-Finalisten im Überblick
Armenien: Ladaniva – „Jako“
Das Duo Ladaniva – bestehend aus der albanischen Sängerin Jaklin Baghdasaryan und dem Multiinstrumentalisten Louis Thomas aus Frankreich – ist heuer für die Fraktion Folklore zuständig. Putzig-liebenswertes Trachtentheater, das sympathisch daherkommt und gute Aufstiegschancen hat.
Deutschland: Isaak – „Always On The Run“
Von den Gegensätzen im Leben handelt der Song „Always on the Run“ von Isaak, dem 28-jährigen Teilnehmer aus Deutschland. Der Künstler war ohne Erwartungen in den deutschen Vorentscheid gegangen und hatte die Favoriten hinter sich gelassen. Vielleicht kein schlechtes Rezept, um auch in Malmö Punkte abzustauben.
Estland: 5Miinust und Puuluup – „(Nendest) narkootikumidest ei tea me (küll) midagi“
Estland stellt 2024 schon mal einen Rekord auf – mit dem längsten ESC-Titel aller Zeiten. Und dem unaussprechlichsten sicherlich auch. „(Nendest) narkootikumidest ei tea me (küll) midagi“ bedeutet so viel wie „Wir wissen (wirklich) nichts über (diese) Drogen“ und hat gleich zwei musikalische Väter. Die Hip-Hopper der Formation 5Miinust und das Folkduo Puuluup. Hinzu kommen mittelalterliche Talharpas, ein sparsam inszeniertes Duell der beiden Acts und fertig ist sicherlich eine der schrägeren Nummern des 68. Songcontests.
Frankreich: Slimane – „Mon Amour“
Der Franzose Slimane Nebchi hat algerische Wurzeln und wuchs im Großraum Paris auf. Er wurde vom französischen Sender France TV intern zum ESC-Kandidaten gekürt. 2016 gewann er das Finale der französischen Ausgabe von „The Voice“. Als einen musikalischen Liebesbrief an alle wichtigen Menschen in seinem Leben, beschreibt Slimane seinen ESC-Titel „Mon Amour“.
Finnland: Window95man – „No Rules!“
Die Rolle des skurrilen Acts übernimmt beim 68. Song Contest Window95man aus Finnland. Das ist das Alter Ego von Teemu Keisteri und kommt als das fleischgewordene Klischee der 1990er Jahre daher. An seiner Seite singt Henri Piispanen, der stimmlich besser als sein Pendant ist, aber auch nicht als großes Stimmwunder gilt. Worum es bei dem Song geht? Sein eigenes Ding durchzuziehen. Was die beiden definitiv machen. Ein bisschen Schas muss sein.
Georgien: Nutsa Buzaladze – „Firefighter“
Eine explosive Mischung aus Gefühlen, Sounds und Visuals – so kommt der georgische ESC-Beitrag „Firefighter“ daher. Im Song dreht sich alles um die Liebe, für die es sich zu kämpfen lohnt und für die man manchmal eben auch durchs Feuer gehen muss. So viel sei verraten, viel Wasser kommt nicht auf der Bühne zum Einsatz.
Griechenland: Marina Satti – „Zari“
Mit einem ungewöhnlichen Song im Reggaton-Stil präsentiert sich Griechenlands ESC-Teilnehmerin Marina Satti. Der Song verbindet Hip-Hop, Folklore und viele Griechenlandklischees und lädt definitiv zum Mitwippen ein.
Großbritannien: Olly Alexander – „Dizzy“
Olly Alexander ist im Musikbusiness schon lange kein Unbekannter mehr und hat bereits viele Preise abgeräumt. Ob es mit „Dizzy“ auch für den Sieg des 68. Eurovision Song Contests reicht?
Irland: Bambie Thug – „Doomsday Blue“
Aufsehen hat der irische ESC-Beitrag „Doomsday Blue“ von Bambie Thug auf jeden Fall schon erregt. Eigentlich hatte Bambie Thug in der Ogham-Schrift, die in Irland im frühen Mittelalter genutzt wurde, die Wörter „Waffenstillstand“ und „Freiheit“ auf den Körper geschrieben – als Hinweis auf die Lage im Gazastreifen. „Leider musste ich diese Botschaften in ‚Krönt die Hexe‘ ändern, was eine Anordnung der EBU war“, teilte die Sängerin nach dem Semifinale mit. Das Lied „Doomsday Blue“ ist ein Mix aus Sprechgesang, harten Elektronikklängen und sanfter Ballade.
Israel: Eden Golan - „Hurricane“
Der Auftritt von Eden Golan hatte von Anfang an für viel Kontroverse gesorgt. Die 20-jährige Israelin musste nicht nur den Songtext ändern, weil er als zu politisch wahrgenommen wurde. Sie erhält in Malmö auch besonderen Schutz durch den israelischen Geheimdienst, weil antisemitische Attacken vor dem Hintergrund des aktuellen Nahostkonflikts befürchtet werden.
Italien: Angelina Mango – „La noia“
„Ja, ich will es!“ – so bestätigte Angelina Mango ihre ESC-Teilnahme, nachdem sie das 74. Sanremo-Festival für sich entschieden hatte. Dessen Siegerin oder Sieger repräsentiert traditionell Italien auch beim ESC. In ihrem Song „La noia“ („Der Verdruss“) geht es darum, wie man gestärkt aus schweren Stunden hervorgeht.
Kroatien: Baby Lasagna „Rim Tim Tagi Dim“
Der Song „Rim Tim Dagi Tim“ der kroatischen Gruppe Baby Lasagna zählt den Buchmachern zufolge zu den heißen Favoriten des 68. Songcontests. Im Rammstein-angehauchten Gitarrengriffmodus geht es in „Rim Tim Tagi Dim“ um einen jungen Mann, der seine Heimat verlässt.
Lettland: Dons – „Hollow“
Dass auch Lettland Weltschmerz kann, zeigt der 39-jährige Dons mit seinem Song „Hollow“. Der vom Singer-Songwriter selbstgeschriebene Beitrag aus Lettland plädiert für ein Leben ohne Konvetionen.
Litauen: Silvester Belt – „Luktelk“
Auf Litauisch singt Silvester Belt seinen Song „Luktelk“. Inhaltlich geht es darum, dass einem in dunklen Stunden doch bitte jemand zur Seite stehen solle. Verpackt ist das ganze in Elektro-Synthiepop.
Luxemburg: Tali – „Fighter“
Nach 31 Jahren ist das kleine Land zurück im Eurovision Song Contest und geht mit Tali ins Rennen. Die Sängerin ist als Tochter israelisch-peruanischer Eltern in Chile und Argentinien aufgewachsen, aber immerhin in Luxemburg in die Schule gegangen. Mit französisch-englischem Text und ethnopoppigem Touch will die mittlerweile in den USA lebende Tali das Großherzogtum wieder auf die Erfolgsspur bringen.
Niederlande: Joost Klein – „Europapa“
Joost Klein zählt heuer fraglos zu den Spaßkandidaten, ist aber dennoch keine Witznummer mit dem Song „Europapa“. Der 26-jährige Niederländer, der im blondierten Retrostil und mit Schulterpolstern daherkommt, die selbst in den 80er-Jahren als zu exzentrisch gegolten hätten, wird im erweiterten Favoritenkreis auf den Gesamtsieg gesehen.
Norwegen: Gåte – „Ulveham“
Die norwegische Gruppe Gåte singt heuer in der Landessprache und hat dabei monumentalen Folk-Rock im Angebot. Ein bisschen dunkles Mittelater gegen all die bunten Gute-Laune-Farben der Konkurrenz.
Österreich: Kaleen – „We will Rave“
Die Raveparty geht für Österreichs Teilnehmerin Kaleen am Samstag beim ESC weiter. Die Sängerin aus Oberösterreich überzeugte schon im Halbfinale mit ihrer Eurodance-Nummer.
Portugal: Iolanda – „Grito“
Melancholischer als im Vorjahr geht es heuer im portugiesischen ESC-Beitrag zu. Iolanda Costa setzt – nach schnellen Rhythmen von Mimicat 2023 – wieder auf sphärisches Fado-Leid. In „Grito“ reflektiert Iolanda über innere Stärke und die Entwicklung der Persönlichkeit.
Schweden: Marcus & Martinus – „Unforgettable“
Um die unvergessliche Begegnung mit einer Femme fatale geht es im Elektro-Popsong „Unforgettable“ der beiden 22-jährigen Norweger, die in diesem Jahr für Schweden antreten.
Schweiz: Nemo – „The Code“
Der Schweizer Beitrag „The Code“ zählt zum engeren Favoritenkreis. Nemo, der sich selbst als non-binär definiert, tritt im rosafarbenen Federnoutfit und mit einer zwischen harten Beats und Falsett wechselnden Nummer an.
Serbien: Teya Dora – „Ramonda“
Für Serbien steigt Teya Dora mit einem symbolbeladenen Titel ins Rennen. „Ramonda“ ist der Name einer Blume, die in Serbien für den Waffenstillstand im Ersten Weltkrieg steht. Eine ruhige Ballade in der Landessprache zum Schmachten.
Slowenien: Raiven – „Veronika“
Veronika, der Lenz ist da ... Nein, unser Nachbarland geht nicht mit einem alten Schlager an den Start. Raiven, die weißblond engelsgleich daher kommt, besingt in „Veronika“ auf Slowenisch das Schicksal einer zu Unrecht als Hexe hingerichteten Frau mit viel Pathos.
Spanien: Nebulossa – „Zorra“
Im ESC-Song des Duos María Bas (55) und Mark Dasousa (47) „Zorra“ – was so viel wie „Schlampe“ heißt – geht es um weibliche Selbstbestimmung in einer Welt, in der Äußerlichkeiten nach wie vor dominieren.
Ukraine: Alyona Alyona & Jerry Heil – „Teresa & Maria“
Einen Elektrofolksong mit Rap-Elementen haben Alyona Alyona und Jerry Heil im Gepäck. Inhaltlich geht es im ukrainischen Beitrag um das Durchhaltevermögen von Frauen.
Zypern: Silia Kapsis – „Liar“
Mit der absolut Strandbar-tauglichen Nummer „Liar“ geht die 17-jährige Silia Kapsis für Zypern an den Start. Damit ist sie bereits die zweite Vertreterin des kleinen Inselstaates, die in Australien geboren wurde.
Zu sehen ist das Finale des 68. Eurovision Song Contest live am Samstag, 11. Mai, ab 21. Uhr.