Es ist das Jahrzehnt der Taylor Swift. Selbstredend wird die Musikerin – die am 8./9./10. August für drei ausverkaufte Konzerte ins Wiener Ernst-Happel-Stadion kommt – auch das Jahr 2024 wie keine andere prägen. Superlative sind eine Begleiterscheinung der Swiftmania. In den USA schaffen Zeitungen eine Vollzeitstelle für einen eigenen Taylor-Swift-Reporter, Universitäten halten Vorlesungen über Swift ab. Jeder will etwas über sie wissen oder glaubt, etwas wissen zu müssen. So funktionieren Phänomene.
Das Besondere an ihr? Sie ist – auf den ersten Blick – nicht besonders. Sondern zu weiß, zu weiblich, auf der einen Seite zu selbstbestimmt, auf der anderen Seite zu wenig feministisch. Swift ist keine exotisch-klingende Olivia Rodrigo, musste nicht die übersexualisierte Reinkarnation einer Miley Cyrus durchlaufen. Doch hat sie sich in mehr als 16 Jahren Showgeschäft von weit oben nach ganz oben hochgearbeitet. Zunächst als Country-Sternchen, später mit erdigem Aussteiger-Folk, jetzt mit glitzerndem Pop-Lametta.
Die Uneindeutigkeit ist ihre Stärke. Swift wird – so untypisch das für einen Popstar heutzutage ist – für ihre Inhalte und nicht für ihre Verpackung geliebt. Man hört ihr genau zu. Ihre Texte sind dichte Short Storys über spontane Geliebte, leise Verheißungen, teure Enttäuschungen. Trotzdem ist es nie zu traurig, nie zu elitär, nie zu intim. Musikalisch ist das auf den ersten Blick relativ unspektakulär. Aber Swift beherrscht die richtigen Kniffe, um aus einem gewöhnlichen Popsong einen bittersüßen Ritt auf dem emotionalen Rollercoaster zu inszenieren. Swift ist Dramaqueen. Und Menschen lieben Dramolette, vor allem, wenn sie darin die Zuschauerrolle in der erste Reihe einnehmen können.
Die Popwelt von Taylor Swift ist ein Wimmelbild voller ironischer Statements, Rätseln, Anspielungen, die es zu dechiffrieren gilt. Und vor allem ist da Gossip. Einmal ist der Ex gemeint, ein anderes Mal der Promi-Feind. Taylor ist die beste Freundin unter den Popstars; die, mit der man Augenzwinkereien austauscht. Die Fans sind die Eingeweihten. Und trotzdem ist da diese Unnahbarkeit. Damit erschuf Swift für ihre Gemeinde ein unersättliches Universum, das so schnell niemand in den Schatten stellen wird.