Am 27. Dezember soll der mehrfach verschobene zivilrechtliche Gerichtstermin zur Musterklage gegen die Salzburger Festspiele u. a. wegen des Vorwurfs unzulässiger Dienstverhältnisse im Chorbereich und jahrzehntelanger Nichtbezahlung und -versicherung der Vorprobenzeit gegenüber den Zusatzmitgliedern der Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor stattfinden. Nun haben die Kläger von „art but fair UNITED“ Strafanzeige wegen „schweren Betrugs durch Täuschung“ eingereicht.
Konkret richtet sich die Anzeige des Berufsverbands für Freischaffende der Darstellenden Kunst und Musik bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gegen Intendanten Markus Hinterhäuser und den kaufmännischen Geschäftsführer Lukas Crepaz. „Vor allem im Hinblick auf die Vorgänge um die Absage an das ganze “Jedermann‘-Ensemble vor einigen Wochen und die darauf folgenden öffentlichen Statements der Festspielführung ist die Klärung der persönlichen Verantwortung an den Umständen der Absagen 2020 unabdingbar„, heißt es seitens “art but fair UNITED„ in einer Aussendung vom Freitag. Seitens der WKStA verwies man gegenüber der APA auf die Prüfung der Anzeige, sobald diese eingelangt sei.
Festspiele sprechen von unhaltbaren Vorwürfen
Auf APA-Anfrage verwehren sich Hinterhäuser und Crepaz „aufs Schärfste gegen den unhaltbaren Vorwurf eines strafbaren Verhaltens“. Die in der Pressemitteilung erhobenen Behauptungen seien falsch und würden jeglicher Grundlage entbehren. „Ein solches Vorgehen macht uns fassungslos und betroffen, gerade weil wir unter Aufnahme eines persönlichen Risikos über 1400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, davon rund 900 Künstlerinnen und Künstlern, in arbeitslosen Zeiten Beschäftigung gegeben und damit ein vitales Zeichen der Kunst in die Welt gesendet haben“, heißt es in dem Statement der Festspiele.
Hintergrund der Anzeige ist, dass die Festspiele 2020 in einer verschlankten Form stattfanden: Von sieben geplanten Opernproduktionen fand nur „Elektra“ und eine spontan angesetzte „Cosi fan tutte“ mit neuer Sängerbesetzung statt, „ohne die engagierten Künstler*innen der ursprünglich geplanten Wiederaufnahme “Zauberflöte‘ bzw. Neuproduktion ‚Don Giovanni‘ einzusetzen„, wie der Berufsverband kritisiert. Demnach seien sich die Festspiele bewusst gewesen, “dass auf Grund grundsätzlicher Öffnungsschritte ‚Force majeure‘ als Absagegrund für rechtsgültige Verträge nicht in Frage kam„. Nichtsdestotrotz habe sich die Geschäftsführung sogar gegenüber der Konzertvereinigung auf einen “Wegfall der Geschäftsgrundlage wegen Auflagen der Behörden„ berufen und die Auflösung des Rahmenvertrags für die Saison 2020 verkündet.
Dies sei „rechtlich komplett unhaltbar und wider besseren Wissens, da es alleine im künstlerischen und organisatorischen Verantwortungsbereich Salzburgs lag, wie viele Vorstellungen, welche und wie besetzt veranstaltet wurden“, so Verbandssprecher Wolfgang Ablinger-Sperrhacke. Betroffen sind rund 150 Zusatzmitglieder der Konzertvereinigung, die sich einer Klage in weiterer Folge als Privatbeteiligte anschließen könnten. Der Schaden belaufe sich nur in diesem Bereich auf 1,5 Mio. Euro, wie Ablinger-Sperrhacke gegenüber der APA unterstrich.
Festspiele erwägen Anklage wegen übler Nachrede
Die Festspiele kontern: „Die Programmgestaltung im Corona-Sommer 2020 und damit auch die Absage bzw. Verschiebung einzelner Produktionen war deren Undurchführbarkeit infolge der gesetzlichen Covid19-Rahmenbedingungen geschuldet.“ Aufgrund der in der Pressemeldung von „art but fair“ erhobenen „falschen und ehrenrührigen Behauptungen“, erwägen Hinterhäuser und Crepaz nun ihrerseits die Einbringung einer Privatanklage wegen übler Nachrede und einer zivilrechtlichen Klage wegen Kreditschädigung gegen deren Verfasser.
Da durch die mehrfache Verschiebung des Musterklage-Gerichtstermins, der nun am 27. Dezember unberührt von der nunmehrigen Anzeige stattfinden wird, alle zivilrechtlichen Ansprüche für 2020 (mit Ausnahme des Klägers Martin Thoma, der diesen Herbst zivilrechtlich geklagt hat) verjährt sind, bleibe laut Ablinger-Sperrhacke „keine andere Möglichkeit als eine eventuelle strafrechtliche Verantwortung für diese Vorgänge bei der Geschäftsführung persönlich feststellen zu lassen“. Ebenso wird eine Überprüfung durch den Rechnungshof bezüglich Rechtmäßigkeit der Auszahlungen den Solisten gegenüber gefordert.
„Ob der Zusatzchorist der Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor, der im November letzten Jahres als einziger Künstler Klage gegen den Salzburger Festspielfonds erhoben hat, in einem Arbeitsverhältnis zu diesem gestanden ist und daraus Ansprüche ableiten kann, ist allein durch das Arbeits- und Sozialgericht Wien zu entscheiden“, halten die Festspiele fest. Dieses Verfahren sei anhängig, der Sachverhalt „ausschließlich zivilrechtlich zu klären“.