Es ist Sonntag. Die Künstlerin Shiva Abossedgh steigt aus dem Zug am Grazer Hauptbahnhof. Eine neue Umgebung, neue Eindrücke, neue Menschen. Ohne zu wissen, was sie erwartet, nahm die 39-jährige Iranerin diesen Sommer ihren Mut zusammen und verließ ihre Heimat, um ihre Kunst international auszustellen und Neues zu kreieren. Sie ist dankbar, nun an einem Ort zu leben, an dem sie sicher ist.

Shiva Abossedgh
Shiva Abossedgh © kk / Shiva Abossedgh

In ihrer Laufbahn probierte Abossedgh unterschiedliche Kunstrichtungen aus. Zum einen, um sich selbst weiterzuentwickeln und zum anderen, um die Kunst der Lehrenden auf ihrem Kunstinstitut besser zu verstehen, welches sie gemeinsam mit ihrer Schwester in der iranischen Hauptstadt Teheran gründete. Viele Jahre bildeten sie dort gemeinsam mit Lehrenden für Bildhauerei, Handarbeit und Malerei kunstinteressierte Menschen aus, bis sie eine der wohl schwierigsten Entscheidung treffen musste: Das Institut schließen und nach Österreich auswandern. Die Entwicklungen des vergangenen Jahres, die Proteste und Ausschreitungen, erschwerten es der Künstlerin, ihrer Leidenschaft nachzugehen. Dieser Schritt war ein schmerzvoller Prozess, schildert Abossedgh. Aber sie ist auch stolz - auf sich selbst, dass sie diesen Schritt gewagt hat, und auf ihre Liebsten, die sie immer unterstützen und hinter ihr stehen. Genau von diesem Abschied, diesem Loslassen, handelt ihre aktuelle Kollektion, die sie im Herbst im Grazer Atelier „The Painthouse Gallery“ erstmalig ausstellen durfte.

„Mein Leben in deinen Händen“

Bevor Abossedgh nach Graz auswanderte, lebte die Künstlerin in der Millionenstadt Teheran. Was sie an Graz so liebt? „Es ist klein, ruhig und die Menschen sind freundlich“, erzählt sie. „Und ich liebe die bunte Blumenpracht, die ich im Sommer entdeckte.“ Diese Begeisterung für die Farben und die Blumen ist auch in ihrer neuen Kollektion „Mein Leben in deinen Händen“ zu sehen, welche seit ihrer Ankunft in Graz entstanden ist. Was sie mit ihrer Kunst ausdrücken möchte, ist der Respekt und die Anerkennung gegenüber den Gefühlen, die in jedem Menschen stecken. Die Gefühle, die oft nach außen hin nicht gezeigt werden, um sich selbst zu schützen. Ihr Lieblingswerk aus der aktuellen Kollektion ist das Gemälde „Remembrance“.

Das Werk zeigt Klatschmohn und Vergissmeinnicht, als Zeichen der „Erinnerung“ an geliebte Menschen. Klatschmohn galt nach dem Ersten Weltkrieg als Symbol für das Gedenken an die gefallenen Soldaten. Es gibt eine Reihe an Geschichten, die beschreiben, wie das Vergissmeinnicht zu seinem Namen kam. Eine davon geht zurück ins Mittelalter. Ein Ritter sammelte einen Strauß Vergissmeinnicht, die bis dahin noch keinen Namen hatten. Als er diesen Strauß seiner Angebeteten überreichte, fiel er in den reißenden Fluss. Er konnte im letzten Moment die Blumen an seine Geliebte überreichen und rief „Vergiss mein nicht.“ Die Geschichten dieser Blumen haben für Abossedgh eine starke Bedeutung aufgrund geliebter Menschen und Erlebnisse, die sie loslassen musste, aber nie vergessen wird. Die Hände im Gemälde symbolisieren den Himmel und die Erde.

Ausstellungen

Grazer Kunstinteressierte konnten die Werke der Künstlerin bereits in der Galerie „The Painthouse Gallery“ bestaunen. In ihrer ersten Solo-Ausstellung in Österreich zeigte sie ihre Kunstwerke, die allesamt in den vergangenen Monaten hier in Graz entstanden sind. In Wien war sie Teil der Sammelausstellung „Her-Story“ präsentiert von ega: frauen im Zentrum. Die Ausstellung war eine Hommage an die facettenreiche Welt der Frauen. Die vielfältige Sammlung zeigte die Stärke, Schönheit und Vielseitigkeit des weiblichen Lebens aus der Sicht der Frauen. Neben Shiva waren auch Künstlerinnen wie Carina Edler, Sabine Freudensprung, Hermine Steinbach-Buchinger und Katerina Teresidi vertreten.

Wer Abossedghs Kunst gerne persönlich betrachten möchte, muss sich aktuell etwas gedulden. Für das kommende Jahr gibt es bereits Gespräche für Solo- und Sammelausstellungen. Fixiert werden konnte bereits eine einmonatige Ausstellung im Grazer Atelier 12 im Februar 2025.