Gewalttätige Männer, die Macht missbrauchen. Seit einem halben Jahrhundert hat sich US-Regisseur Martin Scorsese diesem Thema verschrieben und viele Klassiker gedreht. Im Epos „Killers of the Flower Moon“ nimmt er sich des Buchs des Journalisten David Grann über die historische Morden an Native Americans im Osage County der 1920er-Jahre an.
Mit dabei sind seine Musen Robert De Niro und Leonardo DiCaprio. Letzterer spielt den einfältigen Ernest Burkhart. Ein Soldat, der nach dem Ersten Weltkrieg in die USA heimkehrt, und bei seinem Onkel im Reservat Osage County unterkommt. Jener Onkel William King Hale, von De Niro als freundlich lächelnder Soziopath verkörpert, gibt sich nach außen als Freund und Gönner der Community. Insgeheim spielt er ein anderes Spiel.
Einst von der Regierung auf einen unwirtlichen Flecken Land in Oklahoma verbannt, staunten die Osage nicht schlecht, als auf ihren Gründen Ölvorkommen entdeckt wurde. Jeder will am Kuchen mitnaschen. Der amerikanische Imperialismus ist nach der Eroberung des Kontinents nicht einfach verschwunden. Ein Stammesangehöriger nach dem anderen beginnt auf mysteriöse Weise zu sterben. Die Erben sind deren weiße Ehepartner, gemeinsame Kinder oder Treuhänder wie William Hale. Ernest hat die Osage Mollie (Lily Gladstone) geheiratet, die mit ihren Schwestern große Ländereien erben wird. Auch hier häufen sich die Todesfälle. Als Mollie sich gegen den Genozid wehren will, und die Regierung um Hilfe bittet, erkrankt sie plötzlich, bevor FBI-Ermittler Tom White (Jesse Plemons) auftaucht.
Martin Scorsese hat noch etwas zu erzählen
Scorseses Filme mögen nicht mehr seine beißende, provokante New-Hollywood-Sprache von einst haben. Aber an ihre Stelle ist ein nicht minder interessanter Weltschmerz getreten. Wo andere vielleicht aus der Zeit fallen oder an Schärfe verlieren, legt Scorsese noch immer seinen Finger in die Wunde, zeigt Probleme auf, und versinkt dabei selten in eine „weißer alter Mann“-Weltsicht. Er hat noch etwas zu erzählen.
Es ist ihm und der Hauptdarstellerin Gladstone anzurechnen, nie ins Melodramatische abzugleiten und aus Mollie und ihren Schwestern keine passiven Opfer zu machen, die stellvertretend für die ganze indigene Gemeinschaft stehen. „Killers of the Flower Moon“ weigert sich, einfach eine hochstilisierte Geschichtsstunde zu sein. Er findet stets die Parallelen zur Gegenwart, die schmerzhaften Anknüpfungspunkte an die heutige Gesellschaft.
Susanne Gottlieb