Ist es eigentlich ein bedrückender Moment, wenn man als Fixstern der Popmusik die Bühne betritt und das Stadion vor einem nur zu einem Drittel gefüllt ist? Die oberen Hänge gar mit schwarzen Tüchern überspannt, damit nicht auffällt, wer aller fehlt? Falls dem so ist: Sting ließ es sich am Sonntag in Klagenfurt nicht anmerken. Von der ersten Minute weg wurden über 40 Jahre Popgeschichte gefeiert. Und das in der ersten Stunde sogar ganz ohne die optische Überfrachtung, die Stadionkonzerte mittlerweile prägen. Da reichte das verbliebene Tageslicht, um einem eingespielten Ensemble beim exzellenten Handwerk zuzuschauen. Zumindest der Blick von der Arena auf die Bühne war detailreich, intensiv, beeindruckend – und gar nicht bedrückend.
Und musikalisch? Die in den Police-Liedern üblichen Loops und Samples wurden ausgesperrt und maximal durch Shane Sagers Harmonikaspiel ersetzt. Die komplexen, häufig wechselnden Rhythmen hingegen, die von Tango ("Roxanne") bis Reggae ("Walking on the Moon") reichen, blieben in ihrer Finesse auch bei der Übersetzung in die Bühneninterpretation erhalten. Und Sting selbst dämpfte die Vibrationen seines Fender Basses ohnehin auf ein Minimum. So wurden bekannte Lieder zu unverwechselbaren Einzelstücken. Auch wenn sie Abend für Abend reproduziert werden – am Montag übrigens schon in Wien, was neben Ticketpreisen von gut 150 Euro mit ein Grund für so manchen freien Platz gewesen sein dürfte.
Dass Sting in der Ansprache des Publikums unterkühlt britisch bleiben würde, kennt man von ihm. Immerhin gab er seinem Sohn Joe Sumner (46) – die Stimme ersetzt jeden Vaterschaftstest – bei "King of Pain", jenem Lied, das die Trennung von Joe's Mutter verarbeitet, einen Moment in der ersten Reihe. Und gefragter als jede Anrede der Fans ist ohnehin die Singstimme des 71-Jährigen, die auch in den oberen Tönen nie kippte und trotz Headset ihre Dynamik entfalten konnte. Im Wechselspiel mit der Dramaturgie des Abends – spätestens nach 15 Minuten kam wieder ein Klassiker, den man an den ersten Tönen erkannte – blieben die Stühle vom Bocelli-Konzert am Vorabend überflüssige Staffage.
"A gentleman will walk but never run" heißt es in "Englishman in New York". Nun gut, ein Lebenswerk in 100 Minuten durchzubringen, war dann letztlich aber auch kein ausgedehnter Spaziergang.