Es ist „unlikely“, also unwahrscheinlich, dass ein Elevate-Festival mit einer herkömmlichen Zeremonie startet. Auch die Eröffnung der 19. Ausgabe am Mittwoch im Orpheum Graz verlief außergewöhnlich – und passte perfekt zum diesjährigen Motto „(Unlikely) Alliances“. Kostümiert als „Unlikely Aliens“ mit Gesichtsfiltern und Stimmwandler, lieferte das Künstlerduo Marta Navaridas & Alex Deutinger eine ebenso schrille wie scharfsinnige Mischung aus Moderation und Performance.
Die Frage, die sich wie ein roter Faden durch den Abend und das gesamte Festival zieht: Könnte das Schmieden von unwahrscheinlichen Allianzen die versteckte Strategie und Geheimzutat für die Produktion von Musik, Kunst und – besonders wichtig in fragilen Zeiten wie diesen – politischem Diskurs werden? Den ästhetischen Rahmen der Darbietung lieferte die bildende Künstlerin Annemarie Arzberger, der Wiener Klangkünstler und Komponist Manuel Riegler sorgte mit mystischen Klangallianzen für einen Soundteppich, auf dem man sich fremd und gleichzeitig unheimlich wohl fühlte.
Elevate-Veranstalter Bernhard Steirer freute sich bei der Eröffnung über eine „von der Pandemie unberührten Edition“ und verwies auf das gut rezipierte Musik- und Diskursprogramm. Dazu Diskurs-Kuratorin Irina Nalis: „Das Festival findet ja vor dem Hintergrund von Klima, Krieg und vielen Krisen statt. Wenn im Zusammenhang damit heute oft von Spaltung die Rede ist, will das Elevate die Suche nach den Gemeinsamkeiten in den Vordergrund stellen.“
Auf den Wunsch von Eröffnungsrednerin Sibylle Berg wurden Ausdrucke des Gedichts „Fear II“ des US-Autors Tim Mohr auf den Plätzen hinterlegt. Die schweizerisch-deutsche Autorin und Regisseurin eröffnete das Festival nach einem ausführlichen Goethe-Imitat dann so unprätentiös wie es wohl – soviel Vorurteil sei erlaubt – kein Mann könnte. Das Versprechen, „die Stimmung auf den Nullpunkt zu bringen“ löste sie freilich nicht ein. Berg lieferte eine kurze, lebhafte und leichtfüßige Abrechnung mit dem Status Quo, nachdem der Mensch gewissermaßen des Menschen Wolf sei und ließ den Katalog des Egoismus Revue passieren. Kurz gesagt: Wir mobben und morden, betrügen und lügen, täuschen und traktieren einander. Und dennoch appellierte Berg an die Allianz aus purer Notwendigkeit: „Es wird Zeit zusammenzuhalten, sich zu verstehen oder zu gehen. Die Spiele sind hiermit eröffnet.“ Wirklich eröffnet wurden sie jedoch erst von Elevate-Mitgründer Roland Oreški, der die Tage mit einem großen, elektronisch verlängerten Gongschlag einläutete.
Und so geht es weiter
Der Vortrag des slowenischen Star-Philosophen Slavoj Žižek am Samstag im Orpheum ist ja längst ausverkauft, aber auch für Spätentschlossene gibt es natürlich noch genügend Möglichkeiten, beim Elevate gute Musik und interessante Diskussionen zu verfolgen. Hier eine Reihe von Empfehlungen.
Donnerstag
Morgen, Donnerstag, wird das Grazer Mausoleum zum Hörplatz für avantgardistische Klänge. Der kanadische Musiker Alex Zhang Huntai hat mit seiner Band Trouble schon Sounds für David Lynchs Serie "Twin Peaks: The Return" kreiert. Der Saxofonist und Elektroniker macht den Auftakt zu einem Konzerttriple, bei dem auch noch die iranisch-österreichische Künstlerin Rojin Sharafi sowie der weißrussische Akkordeonist Yegor Zabelov auftreten werden.
Freitag
Eines der musikalischen Highlights des Festivals wird am Freitag im Orpheum (ab etwa 22.30 Uhr) zu erleben sein. Wenn die italienische Musikerin Caterina Barbieri ihren intensiven Synth-Kosmos in den Raum zaubert, ist das auch ein Nachtrag. Ihr geplanter erster Auftritt beim Elevate musste letztes Jahr abgesagt werden, nun sollte der Sache nichts mehr im Weg stehen. Barbieri komponierte auch die "Music for Elevators", mit denen das Elevate jährlich den Schloßberglift bespielt. Die letzten bisherigen Beiträge dafür wurden ja von Jimi Tenor bzw. Brian Eno gestaltet.
Samstag
Wer am Samstag keine Karten mehr für den Žižek-Vortrag ergattern konnte, kann sich dennoch eine Ladung Theorie und Diskurs geben. Etwa um 15 Uhr im Heimatsaal (wo das gesamte Diskursprogramm stattfindet) zum Thema "Machiavellis Schatten", wo Lisz Hirn, Raimund Löw unter anderem über die Verhaberung in der Politiklandschaft referieren. Moderiert wird die Diskussion von Jakob Winter und Katharina Zwirns von der Factchecking-Plattform "Faktiv".
Sonntag
Der Festivalausklang am Sonntag bringt traditionell eine Daytime-Party in den Heimatsaal. Ab 14 Uhr ist Programmbeginn, wobei die Gruppe Neuzeitliche Bodenbeläge de facto den besten Bandnamen des Festivals hat. Nach den Bodenbelägen aus Deutschland gibt es noch einen Auftritt der Songwriterin Sofia Kourtesis.
Alle Infos zu Terminen und Karten gibt es unter elevate.at. Den Timetable gibt es auch hier: