Ist das nicht ein bisschen viel? Einen Beruf erlernen, arbeiten und nebenbei noch die Matura machen? Wir besuchen eine junge Frau, die es wissen muss: Ana Maria Dudau hat vor rund einem Jahr die Lehrabschlussprüfung zur Einzelhandelskauffrau abgeschlossen und gerade die Englischprüfung für die Matura geschafft. An ihrem Arbeitsplatz – in der Herrenabteilung bei K&Ö in Graz – berät sie gerade einen Kunden. Dass sie einmal „sehr schüchtern“ war, wie sie sagt, lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen. Professionell steht sie Rede und Antwort, beantwortet Fragen zur Stoffqualität, rät diplomatisch von einer haarsträubenden Kombination ab, die sich der Kunde selbst ausgesucht hat, und zeigt Alternativen auf, bis der Kunde selig zur Kassa zieht.
Dann geht es ans Schlichten. „Neben dem Verkauf beschäftige ich mich mit Merchandising“, erklärt die Grazerin, während sie einen Pulli nach dem anderen in einer Geschwindigkeit zusammenlegt, dass einem ganz schwindlig wird. „Das heißt, sich Konzepte zu überlegen, wie man Mode am besten präsentieren kann.“ In der Berufsschule, erklärt sie weiter, hätte sie das passende Rüstzeug für den Beruf bekommen. „Man lernt wirklich nur das, was man dann später auch braucht.“ Und warum dann die Matura, wenn einen der Beruf ohnehin total ausfüllt? „Die mache ich, weil ich mich weiterentwickeln will. Man weiß nicht, was die Zukunft bringt, und ich will für jeden Karriereweg offen sein“, so Ana Maria Dudau.
Das Lernen falle ihr generell leicht. Offensichtlich auch das Lernen von Sprachen, denn niemand, der sie so plaudern hört, würde vermuten, dass die gebürtige Rumänin erst 2008 mit ihrer Familie nach Österreich gekommen ist. Leichter voranzukommen, mache es ihr auch der Arbeitgeber, erzählt sie weiter. Für die Maturaschule steht Einzelhandelslehrlingen bei K&OÖ ein halber Tag pro Woche zur Verfügung – während der Arbeitszeit. Die Fächer Betriebswirtschaft und Mathematik stehen noch an. Noch wenige Monate, dann hat die 20-Jährige auch diesen Abschluss in der Tasche.
Birgit Pichler