Conchita Wurst, die österreichische Songcontest-Gewinnerin, polarisiert wie kaum eine andere Entertainerin. Die einen bewundern ihr Selbstvertrauen, sich als Drag-Queen derart in der Öffentlichkeit zu präsentieren. Die anderen fühlen sich von ihrem Auftreten provoziert. „Conchita Wurst zeigt, dass es so etwas wie das natürliche Geschlecht nicht gibt. Es stellt sich die Frage nach der Echtheit des Geschlechts“, sagt Kirstin Mertlitsch, Leiterin des Universitätszentrums für Frauen- und Geschlechterstudien an der Uni Klagenfurt.
Für Mertlitsch ist auch die US-Sängerin Lady Gaga ein gutes Beispiel, um zu verbildlichen, wie mit Geschlechtern gespielt wird. „Geschlecht wird durch Habitus, Kleidung und gesellschaftliche Normen erzeugt. Conchita Wurst und Lady Gaga versuchen diese Muster zu durchbrechen“, sagt Mertlitsch, die im Rahmen eines durch die deutsche Forschungsgemeinschaft geförderten Graduiertenkollegs zum Thema „Geschlecht als Wissenskategorie“ an der Humboldt-Universität zu Berlin promoviert hat.
In ihrer Dissertation setzte sich die Wissenschaftlerin mit Begriffspersonen wie Sisters, Cyborgs und Drags innerhalb der Gender Studies auseinander. Solche Figuren seien nicht nur fester Bestandteil von Science-Fiction-Filmen und der Popkultur, sondern Teil komplexer wissenschaftlicher Theorien. In ihrer Arbeit versuchte sie herauszufinden, was diese in den Theorien und Schlüsselkonzepten verkörpern und wie sie diese prägen. „Sie eröffnen neue Themen und Problemfelder. Wir können so verstehen, welche impliziten Wissensformen wie Gefühle, Affekte, Körperwahrnehmungen, politische und ethische Haltungen sowie Begehrensweisen von den Denkfiguren mitverhandelt werden“, sagt Mertlitsch.
Die Überlegung, dass diese Begriffspersonen selbst Wissensvermittler darstellen, ist ein innovativer Ansatz. Mertlitsch eröffnet mit ihrer publizierten Dissertation innerhalb der Theoriediskurse der Gender Studies neue Perspektiven.
Esther Farys