Die Unsicherheit in Zeiten des Coronavirus ist allgegenwärtig – ein idealer Nährboden für allerlei Falschinformationen. Ist dem Österreichischen Cochrane-Institut, das sich der evidenzbasierten Medizin verschrieben hat, derlei schon untergekommen?
BARBARA NUSSBAUMER-STREIT: Wir betreiben ein Anfrageservice auf www.medizin-transparent.at, wo wir Gesundheitsmythen beleuchten und ihnen durch Forschung gesicherte Fakten gegenüberstellen. Zum Coronavirus gibt es einen aktuellen Beitrag, der sich mit der Wirksamkeit von Globuli gegen das Virus befasst. Unser Fazit: Noch gibt es kein wirksames Medikament gegen das neue Coronavirus. Homöopathie als Schutz vor Viren ist unwissenschaftlich und nicht plausibel.
Worauf basiert Cochrane Österreich Einschätzungen wie diese?
Wir berücksichtigen nicht nur einzelne Studien, sondern die Gesamtheit der bisherigen Forschungsergebnisse. Dazu durchsuchen wir medizinische Forschungsdatenbanken nach den Ergebnissen möglichst aller bisher durchgeführten Studien. Cochrane Österreich als Vertretung eines internationalen Netzwerks verfolgt die Stärkung der Evidenzbasierung im österreichischen Gesundheitswesen und ist für die Verbreitung hochwertiger medizinischer Studien an Österreichs Ärztinnen und Ärzte zuständig.
Medizinische Studie ist nicht gleich medizinische Studie. Müssen Medien auch selbstkritisch einräumen, dass sie oft wenig fundierte Fakten verbreiten?
Ja, das müssen sie. In einer Studie über insgesamt 990 Beiträge in österreichischen Print- und Online-Medien konnten Kollegen zeigen, dass in fast 60 Prozent der Medienbeiträge die Evidenz zu medizinischen Fragestellungen stark verzerrt wiedergegeben wird. Meist wird über Forschungserkenntnisse berichtet, ohne die Qualität der Studie zu berücksichtigen oder zu erklären, wie sie entstanden ist. Boulevardmedien berichten verzerrter als Qualitätsmedien.
Solche verzerrten Berichte über medizinische Forschung sind oft Quelle für weitverbreitete Gesundheitsmythen, die sich hartnäckig halten können. Warum eigentlich?
Was einmal in den Köpfen der Menschen ist, kriegt man da schwer wieder raus. Der Zusammenhang von Autismus und Masern-Mumps-Röteln-Impfung wurde beispielsweise in einer Studie dargestellt, die sich später als gefälscht herausgestellt hat – da waren finanzielle Interessenskonflikte im Spiel. Die Studie wurde zurückgezogen, aber die Angst ist noch immer in den Köpfen der Menschen.
Kann man dem Internet und den sozialen Medien eine Mitschuld an der starken Verbreitung von Gesundheitsmythen geben?
Soziale Medien sind ein Fluch und Segen – zum einen helfen sie, Informationen schnell und unkompliziert zu verbreiten, gleichzeitig kann man aber auch ungefiltert alles verbreiten – also auch haltlose Gerüchte. Wichtig ist, nicht alles, was im Internet steht, zu glauben.
Was kann man Medizinern und Laien im Umgang mit Meldungen rund um medizinische Themen – vor allem online – empfehlen?
Wir stellen auf www.medizin-transparent.at eine Checkliste bereit, wie man zuverlässige Gesundheitsinformation erkennen kann. Wichtig auch: Nicht immer nur die ersten Treffer auf Google lesen, sondern auch auf Seite zwei und drei blättern. Seriöse Anbieter für Gesundheitsinformationen sind zum Beispiel die Portale gesundheit.gv.at oder gesundheitsinformation.de.
Josef Puschitz