Mit diesem Ergebnis haben die wenigsten gerechnet: 22,4 Prozent Durchfallquote bei der Zentralmatura im Jahr 2018 – jeder fünfte Maturant musste sich mit einer Kompensationsprüfung retten. Zu schwer, vor allem zu textlastig, lauteten die Vorwürfe an die Didaktiker, die für die Zusammenstellung der Prüfung verantwortlich waren. Jetzt, über ein Jahr später, kontern diese – mit wissenschaftlichen Argumenten.
„Für die Gesamtheit der angetretenen Maturantinnen und Maturanten können wir klar sagen, dass die Textlänge oder auch die Kompliziertheit der Texte keinen Einfluss auf die richtige Lösung der Aufgaben hatte“, sagt Andreas Vohns. Er steht als Mathematikdidaktiker an der Uni Klagenfurt im Kontakt sowohl mit dem Bildungsministerium als auch mit der Gruppe aus Lehrern und Didaktikern, die jedes Jahr neu die Zentralmatura zusammenstellen. Mittels Daten zur Mathematikmatura 2018 führte er eine Studie durch, die statistische Zusammenhänge von Lösungsquoten mit dem Schwierigkeitsgrad der Texte beleuchtete. „Unser Ziel war, in der Diskussion sachlicher argumentieren zu können“, sagt Vohns.
Zunächst galt es, genau zu definieren, was unter „schwierigen Texten“ in der Mathematikmatura zu verstehen sei. Das Forschungsteam rund um Vohns formulierte dazu eine Checkliste, die nicht nur die Länge der Texte im Fokus hatte. Vohns: „Wir untersuchten die Texte dahingehend, ob sie viele zusammengesetzte Wörter enthalten, ob getrennte Verben oder Nebensatz- und Passivkonstruktionen vorkommen.“
Mit dieser Checkliste wurden jene 20 Prozent der Maturaaufgaben, an denen besonders viele Schüler gescheitert sind, computerunterstützt durchforstet. Dabei stellte sich heraus, dass diese „Stolper-Fragen“ eben nicht die Merkmale von „schwierigen“ Texten aufwiesen. Mit anderen Worten: „Sprachlich anspruchsvollere Aufgaben sind nicht signifikant überproportional ‚schwere‘ Aufgaben“, fasst es Vohns zusammen.
Gleichzeitig schränkt er ein, dass diese Aussage nur auf die Gesamtheit der Maturanten zutrifft. Die Möglichkeit bestehe, dass kleine Gruppen, für die Sprachverständnis eine besondere Herausforderung darstellt, größere Probleme mit den Texten der Mathematikmatura hatten. Um das zweifelsfrei zu belegen, bräuchte es aber weitere Untersuchungen.
Auch über die tatsächlichen Ursachen der hohen Durchfallquote in der Zentralmatura in Mathematik müsste laut Vohns noch weitergeforscht werden. „Wir wissen noch sehr wenig über die Gründe für die Schwierigkeiten. Ein Verdacht, den ich äußern kann: Meinem Eindruck nach ist die Zentralmatura von den Lehrern sehr unterschiedlich aufgenommen worden. Anders als etwa die Sprachenlehrer, die an internationale Standardrahmen für die Fähigkeiten ihrer Schüler gewohnt sind, haben die Mathematiklehrer mit den zentral vorgegebenen Kompetenzen weniger anfangen können.“
Die unmittelbare Lösung des Ministeriums, die heurige Mathematikmatura leichter zu machen und so bessere Erfolgsquoten zu schaffen, hält Vohns übrigens für wenig nachhaltig: „Nur das Niveau zu senken, wenn es einmal nicht klappt, ist keine dauerhafte Lösung.“
"Komm MIT": Tag der Mathematik und Informatik
„In der Wissenschaft geht es nicht nur um Entdeckungen, sondern auch um Kommunikation. Dass eine Idee existiert, kann man erst behaupten, wenn man es geschafft hat, sie im Geist eines anderen Menschen zum Leben zu erwecken.“
Diesen Zugang des britischen Mathematikers Marcus du Sautoy nehmen sich die Organisatoren des heurigen Tags der Mathematik zu Herzen: Sie wollen die Inhalte und Ideen der Mathematik und Informatik schnittstellenübergreifend (Elementar-, Primar- und Sekundarstufe I und II) und schulformübergreifend (Kindergarten, Volksschule, NMS, AHS und BHS) einem interessierten Publikum näherbringen.
Gelingen soll das mit vier Workshop-Runden mit über 40 Einzelworkshops und einem Impulsvortrag. Die Inhalte befassen sich unter anderem mit der Codierungstheorie, die aus Sicht der Mathematik und Informatik besprochen wird, mit der Förderung von Lernenden oder mit den Angeboten der Mathematikolympiade. Der Tag findet in Kooperation mit der PH Kärnten statt.