Am 26. Mai finden die EU-Wahlen statt. Welche entscheidende Rolle spielt das EU-Parlament in der politischen Landschaft?
KATHRIN STAINER-HÄMMERLE: Das EU-Parlament ist der Mitgesetzgeber in der Europäischen Union. Es ist das einzige direkt gewählte Organ der EU und die wichtigste Form der Bürgerbeteiligung.
Wie können Sie sich dann erklären, dass die Wahlbeteiligung 2014 so gering ausgefallen ist? Sie lag damals bei 45,4 Prozent.
Wir wählen einen von 18 österreichischen Abgeordneten. Insgesamt gibt es 751 EU-Abgeordnete. Der Einzelne denkt sich, was soll meine Stimme für so ein großes Gremium bewirken? Zudem fehlt die Nähe – den Bürgermeister der eigenen Gemeinde zu wählen, ist greifbarer. Schlussendlich macht die nationale Politik Stimmung gegen Brüssel. EU-skeptische Bürger bleiben eher zu Hause.
Inwieweit wird die Europawahl zur Testwahl für Österreich?
Die Rücktritte in der Bundesregierung werden Auswirkungen haben. Ein Teil der FPÖ-Wähler wird wohl zu Hause bleiben, ein Teil zur ÖVP wechseln. Da es aber in Österreich noch nie einen derartigen Skandal – noch dazu kurz vor einem Wahlgang – gab, ist die Größenordnung dieser Wählerwanderung schwer abzuschätzen.
Das Video von Ibiza fand rasch Verbreitung in den sozialen Medien. Wie sehen Sie die Rolle dieser Plattformen bei der EU-Wahl?
Im Netz finden sich immer wieder Kampagnen, die Unwahrheiten verbreiten. Die Brexit-Befürworter etwa haben behauptet, dass beim Austritt enorme Geldmittel statt in die EU in das nationale Gesundheitssystem fließen würden. Heute wissen wir, dass der Austritt den Briten in allen Bereichen finanzielle Nachteile bringt. Oder aktuell die Gerüchte, dass Hunderttausende Migranten in Nordafrika auf die Überfahrt nach Europa warten. Aber es gibt auch positive Bewegungen dank sozialer Medien – etwa die „Fridays for Future“-Demos.
„Fridays for Future“ lässt Tausende junge Menschen auf die Straße gehen. Hat sich deren Politikverständnis verändert?
Wenn junge Menschen das Gefühl haben, etwas bewirken zu können, wirkt sich das auf deren Wahlverhalten aus. Ältere Menschen gehen aus Pflichtbewusstsein wählen – junge, weil sie denken, dass es etwas bringt. Sie brauchen junge Politiker wie Claudia Gamon und Luca Kaiser, die sie ansprechen. Bei der Nationalratswahl war es Sebastian Kurz.
An der FH wird der Studiengang Public Management angeboten. Wie kann dieser helfen, politische Prozesse besser zu verstehen?
Im Wirtschaftsstudium gibt es den Schwerpunkt Politik. Hier wird der Fokus auf politische Strukturen, Prozesse, Zusammenhänge und Hintergründe gelegt. Ich versuche mit Studierenden hinter die Kulissen zu blicken und herauszuarbeiten, wer welche Ziele verfolgt. Das verbessert das Verständnis von Politik und Demokratie.