Als gelernte Grafikerin war die Salzburgerin Katharina Job fast zehn Jahre lang Vollzeit in einem Angestelltenverhältnis. Nebenbei hatte sie mehrere Kreativprojekte am Laufen. „Aber ich war damals beruflich sehr gefordert und hatte irgendwann keinen Kopf mehr für meine persönlichen Projekte, ich war kreativ ausgelaugt“, erzählt sie. Ihr soziales Leben blieb auf der Strecke. „Und wenn ich dann doch einmal gar nichts gemacht habe, dann hatte ich das Gefühl, faul zu sein. Das wollte ich so nicht mehr.“ Deshalb setzte sich die 31-Jährige selbst einen Stopp. 2016 nahm sie sich ein halbes Jahr Auszeit, fünf Monate davon reiste sie durch Südostasien. Nach einer beruflichen Zwischenstation ist sie heute wieder bei ihrer alten Firma tätig. Allerdings nur im Ausmaß von 20 Stunden. Darüber hinaus arbeitet sie selbständig als Grafikerin und unterrichtet Yoga. Im Vorjahr hat sie zusätzlich gemeinsam mit einer Partnerin die ME:treat Guides aufgezogen. Das sind digitale Anleitungen, um sich daheim oder unterwegs selbst bewusste Auszeiten zu gestalten. „Insgesamt arbeite ich sicher nicht weniger als zuvor in meiner Vollzeitanstellung, aber ich bin viel produktiver“, sagt sie. 20 Stunden pro Woche als Angestellte im Büro zu verbringen, gebe ihr nicht nur finanzielle Sicherheit, auch die Arbeit im Team mache ihr Spaß.
Zweites Standbein Selbständigkeit
Gleichzeitig schätzt Job ihr zweits Standbein, die Selbständigkeit. „Das gibt mir das Gefühl, selbst etwas aufgebaut und erschaffen zu haben. Gerade die Yoga-Kurse sehe ich auch als Ausgleich, weil ich nicht 40 Stunden pro Woche vor dem Computer sitzen möchte.“ Mit dieser Konstellation hat sie einen Weg gefunden, um ihre eigenen Projekte nicht weiterhin in der Freizeit unterbringen zu müssen. „Für mich ist es wichtig, dass ich meine Arbeit während meiner Arbeitszeit erledige und am Abend oder Wochenende genügend freie Zeit zur Verfügung habe – so wie andere auch“, erklärt Job. In ihrer Firma hat sie fixe Arbeitstage. Die Zeit als Selbständige teilt sie sich frei ein. Sie ist überzeugt: Selbst zu entscheiden, wann und wo man arbeitet, schenkt Freiheit. „Über fast 40 Stunden pro Woche nicht selbstbestimmt verfügen zu können, finde ich zu viel. Ich möchte nicht das Gefühl haben, beruflich irgendjemandem ganz zu gehören.“ Durch die Reduzierung auf Teilzeit fließt auch nicht die ganze Kreativität ins Angestelltenverhältnis. Das ist für Job wichtig, denn Ideen kommen nicht auf Knopfdruck. „Man braucht genügend Freizeit, um der eigenen Kreativität Raum zu geben.“
Ausreichend abschalten können
Work-Life-Balance bedeutet für die Salzburgerin, abseits des Jobs ausreichend abschalten zu können. Nur so sei es überhaupt möglich, auf Dauer die nötige Leistung zu erbringen. Den nötigen Ausgleich holt sie sich beim Sporteln, an der frischen Luft oder beim Zusammensein mit Freunden. „Ich tue außerdem schon in der Früh etwas für mich, bevor die Arbeit losgeht. Dafür stehe ich gerne zeitig auf, mache Yoga und beginne den Tag ohne Stress. So habe ich jeden Morgen das Gefühl, für mich selbst aufzustehen und nicht für die Arbeit.“ Wenn es im Berufsleben doch einmal zu stressig wird und sich im Kopf eine Blockade auftut, lässt sie alles stehen und liegen und macht etwas ganz anderes. „Das tun zu können, bedeutet für mich Luxus und schenkt mir enorm viel Lebensqualität.“ Job findet nicht, dass junge Menschen antriebslos oder faul sind, wenn sie alternative Arbeitswege gehen. „Meine Eltern haben immer viel gearbeitet und waren auch in ihrer Freizeit recht fleißig. Ich habe also von daheim mitbekommen, nicht nur auf der Couch zu liegen.“ Jeder müsse für sich selbst definieren, welche Werte er habe und was er im Leben erreichen wolle. „Wichtig ist am Ende des Tages, dass man ein gutes Gefühl hat, in der Früh gerne aufsteht und sich nicht irgendwo hin quält, wo man nicht sein will.“
Maria Kapeller