Im Frühjahr sind wir alle mehr oder weniger ins Homeoffice gestolpert, haben überflüssige Möbel in den Keller gepackt, Zimmer umgewidmet und den Wohnbereich freigeräumt, um mit Laptop und Co. einzuziehen.
Aber schon nach einigen Tagen stand fest: Wohnen und Arbeiten sind schwer unter einen Hut zu bekommen. Doch, woran es genau liegt, kann man in vielen Fällen nur schwer sagen. Irgendwie passt es einfach nicht.
Melanie Fritze ist Wohnpsychologin, sie weiß auch, warum es uns so schwerfällt, die genauen Probleme zu benennen: "Räume wirken auf uns und das passiertunterbewusst", erklärt sie.
Aber was macht eine Wohnpsychologin eigentlich? Nein, sie therapiert keine Häuser. Experten wie Fritze versuchen, die gebaute Umwelt so an den Menschen anzupassen, dass es ihm damit gut geht. "Damit wir gut wohnen und gut arbeiten können."
Die Trennung
Im Homeoffice fällt es vielen noch schwerer, eine Grenze zwischen Arbeit und Freizeit zu ziehen. Umso wichtiger ist es, zumindest in Zonen eine Trennlinie zu schaffen. "Für mich wäre das Schlafzimmer aber immer die letzte Wahl", so Fritze. Es soll allein der Erholung dienen.
Für Zonen lassen sich Raumteiler, Vorhänge oder eine kleine Trennwand einsetzen, um in freien Stunden etwas mehr Abstand zwischen sich und die Arbeit zu bringen. "Hier geht es nicht ums bewusste Wahrnehmen, aber wir verarbeiten sehr viele Reize ganz unbewusst und es passiert etwas in uns, wenn wir die Akten und den Computer sehen, die man mit Arbeit assoziiert."
Andere Perspektive
Einen weiteren Tipp hat die Expertin auch für all jene, die an ihrem Esstisch arbeiten. "Hier sollte man bei der Arbeit einen anderen Sitzplatz einnehmen als beim Essen. Damit man diesen nicht unbewusst immer mit der Arbeit verbindet", erklärt Melanie Fritze.
Die Rituale
Normalerweise machen wir uns an Arbeitstagen fertig und auf den Weg. Hier fällt schon ein wichtiges Ritual aus, denn auch diese kleinen Gewohnheiten können dabei helfen, zwischen Arbeit und Freizeit umzuschalten. "Deswegen sollte man sich schon auch fertig machen, es muss ja nicht die schickste Kleidung sein, aber zumindest einige Zeit in dieses Ritual zu stecken."
Kinder im Homeoffice
"Hier kommen wir nun in den psychologischen Bereich", erklärt Melanie Fritze. Denn in vielen Fällen liege das Problem hier nicht bei den Kindern, sondern den Erwachsenen selbst. "Eltern können sich hier nur schwer innerlich abgrenzen, sie probieren dadurch häufig, beiden Rollen gerecht zu werden. Hier hilft es nicht nur der Person selbst, sondern auch den Kindern, räumlich oder zeitlich klarzumachen, das ist jetzt der Zeitumfang, wo ich bitte nicht gestört werde. Kinder verstehen das relativ schnell, wenn die Eltern konsequent sind."
Auch spezielle Noise-Cancelling-Kopfhörer können Eltern helfen, sich besser konzentrieren zu können. Außerdem sind sie auch für die Kinder nach außen ein eindeutiges Zeichen – Mama und Papa sind nun bei der Arbeit.
Der Raum
Bevor man sein Homeoffice aufbaut, sollte man sich zuerst einmal überlegen, welcher Raum am besten für die Tätigkeit geeignet ist. Brauche ich Ruhe, weil ich mich konzentrieren muss? Oder brauche ich in erster Linie Tageslicht, weil ich feinmotorisch arbeite? Außerdem sollte natürlich auch die Raumgröße sowie die Belüftung stimmen.
Das Licht – Stärke und Farbe
Am besten ist es natürlich, wenn man genügend Tageslicht hat. Trotzdem kommt man – vor allem im Herbst und Winter – um eine Lampe nicht herum. Hier sind vor allem Lichtstärke (wird in Lux gemessen) und Lichtfarbe (wird in Kelvin gemessen) entscheidend. Melanie Fritze rät im Homeoffice zu starkem und kühlem Licht, das dabei hilft, die Konzentration aufrechtzuerhalten.
"Für ein Büro ist eine Stärke von 500 Lux und eine Lichtfarbe um die 5000 Kelvin empfehlenswert. Wobei es bei der Stärke natürlich auch davon abhängt, ob es eine Lampe ist, die an der Wand montiert ist oder es sich um eine Schreibtischlampe handelt." Ein weiterer Tipp der Expertin: Es gibt auch dimmbare Lampen, die in Intensität und Farbe je nach Situation umgestellt werden können.
Die Farben
Die farbliche Gestaltung im Homeoffice richtet sich natürlich stark nach dem persönlichen Geschmack. Aus Sicht der Farbpsychologie ist aber ein warmes Grün mit hohem Gelbanteil empfehlenswert. Es wirkt entspannend, reduziert Stress, wirkt dabei aber nicht ermüdend.
Oder ein dezentes Blau. Von Rot rät die Expertin im Homeoffice jedoch ab, weil es überstimuliert und dementsprechend schnell ermüdet. "Auch Weiß wird gerne in Büros benutzt. Wenn man aber viel am Computer arbeitet, dann ist Weiß nicht zu empfehlen, weil es auch die Augen schneller ermüden lässt", erklärt Melanie Fritze.
Mikropausen
Wenn man den ganzen Tag auf den Bildschirm schaut, kann es schon passieren, dass einem beim Aufstehen schummrig wird. "Dieser Nah-Blick ist enorm anstrengend für die Augen. Da tun Mikropausen gut, damit der Blick auch immer wieder einmal in die Ferne schweifen kann." Also immer wieder einmal von 2D auf 3D wechseln.
Ausblick
Im Optimalfall steht der Arbeitstisch an einem Fenster, sodass man den Blick auch immer wieder nach draußen schweifen lassen kann. "Wir brauchen Nahrung für die Sinne. Wir müssen Natur über unsere Sinne aufnehmen. Über die Augen, das Tasten. Zu viel tut uns nicht gut, aber auch zu wenig ist ebenfalls ein Stressfaktor für uns. Die Natur hat hier genau das richtige Stimulationsniveau. Deswegen ist es auch so erholsam für uns in die Natur zu schauen", erklärt die Wohnpsychologin. Aber auch jene, deren Schreibtisch an einer Wand steht, können sich ein Stück Natur ins Homeoffice holen: mit Pflanzen oder Bildern. Am besten viele Grünpflanzen in ordentlicher Größe zur Deko verwenden oder Bilder mit Naturmotiven aufhängen. Diese sollten aber nicht zu bedrohlich wirken. Wenn man einen dunklen Wald an der Wand hängen hat, ist das nicht so entspannend wie die grüne Wiese. "Auch, wenn wir so modern sind, funktionieren wir eigentlich noch wie zu Urzeiten. Alles, was Überlebensressourcen für uns darstellt, ist für uns etwas Positives. Der seichte See beispielsweise, da bekomme ich mein Wasser und meine Nahrung her. Ich sorge dafür, dass ich versorgt bin. Bilder wie dieses lösen in uns etwas aus."