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Haben Sie einen Rat für traumatisierte Menschen?

Das Entscheidende ist, nicht zu verdrängen, Gesprächspartner zu finden und alles so lange wiederzukäuen, bis es tatsächlich verarbeitet ist. Ich habe unglaublich viel darüber geschrieben und geredet. Bei jedem Mal, wo ich darüber gesprochen habe, nicht nur wie es mir ergangen ist, sondern auch welche Möglichkeiten sich für mich daraus ergeben haben, ist diese Wunde, die entstanden ist, immer mehr verheilt. Wir sind mit unseren Mitarbeitern immer wieder in Ruanda, weil wir dort Schulen bauen. Dort gab es den Genozid 1994. Die Ruandesen machen das genauso. Sie schweigen es nicht tot, sie nutzen jede Chance, um ihn auf den Tisch zu bringen und neue Erkenntnisse daraus zu gewinnen. Und über die Beschäftigung damit die Wunde verheilen zu lassen. Hildegard von Bingen sagte: Es ist wie bei einer Auster, es geht darum, aus einer Wunde eine Perle zu machen.

Wann hatten Sie das erste Mal das Gefühl, wieder sicher zu sein?

Nachdem ich befreit wurde, gab es mehrstündige Zeugenvernehmungen. Dann sind wir zum Flughafen gefahren, als sich die Flugzeugtüren schlossen und ich ins Cockpit geschaut habe, wo mein Vater saß, habe ich mir gedacht: Jetzt fliegt er mich nach Hause.

Ein Freund hat Sie damals in die Falle gelockt. Hatten Sie danach Probleme, zu vertrauen?

Nein. Ich bin im Jahr 2018 auch von einem der Entführer angeschrieben worden mit der Bitte um Vergebung. Ich habe ihm vergeben und es war ein großartiges Gefühl, dem Mann, der mich gefoltert hat, die Last zu nehmen. Das ist auch etwas, was ich in Afrika gelernt habe, folgende Aussage ist dort Gesetz: Wenn du mich um Vergebung bittest, dann vergebe ich dir. Ich vergesse es nicht, aber ich vergebe dir und damit fällt auch die Last ab, die wir mit uns herumtragen.

Ihr Vater ist 2007 mit dem Flugzeug verunglückt. Wie sind Sie mit diesem Schicksalsschlag umgegangen?

Die Schritte sind die gleichen. Zuerst ist die Trauer, aus der Trauer der Wandel in Dankbarkeit für das, was ich durch ihn lernen durfte. Dann die Dankbarkeit für die Möglichkeiten, die daraus entstehen. Die Quelle für diese Denkweise kommt von Viktor Frankl. Ich habe selbst die Freiheit, zu entscheiden, hadere ich damit oder treffe ich nach einer bestimmten Zeit die Entscheidung, zu sagen: Was mache ich jetzt daraus?