In Michelle KatzersKindheit war ihr Reisebüro das familieneigene Wohnmobil. Peloponnes oder Sardinien, Ferien waren also quasi auch immer „Fährien“. So ist sie erst mit ihrem Lehrbeginn in die Reisewelt der Flughäfen und Hotels eingetaucht, erzählt der Lehrling vor einem palmenumrankten Sonnenuntergang, der es wirklich schwer macht, gedanklich nicht in die Ferne zu schweifen. Was aber wiederum kein großes Problem wäre, denn Urlaub ist Michelle Katzers Job und Fachgebiet.
Natürlich blieb auch ihr Arbeitsalltag von Corona nicht unberührt. Gemeinsam mit vier anderen Lehrlingen betreut sie nun die „Buchungshotline“ außerhalb der Öffnungszeiten und beantwortet telefonisch die vielen Fragen Reisehungriger. Ihr Ausbilder, Robert Kochsitzt nebenan und gewährt einen kleinen Einblick in den Arbeitsalltag. „Es ist unser Job, die beste Reise für den Kunden zusammenzustellen. Und plötzlich haben wir in den ersten Monaten nur noch storniert. Das tut einem in der Seele weh, vor allem bei Reisen in die man zuvor sehr viel Zeit, Mühe und Organisation gesteckt hat und weiß, wie schön sie gewesen wären.“ Auch hier haben die Lehrlinge, in den ersten Wochen der Coronakrise mitgeholfen und ohne Pause wichtige Informationen eingeholt, während die erfahrenen Kollegen die Kunden beraten haben. Deswegen könnte die Krise für junge Mitarbeiter wie Michelle auch eine Chance sein, so Robert Koch, der selbst 1993 bei Gruber Reisen als Lehrling begann. „Wer gelernt hat, in dieser Zeit einen kühlen Kopf zu behalten, den kann später nicht mehr viel erschüttern“, sagt der Lehrlingsausbilder, dem es bei den jungen Fachkräften besonders wichtig ist, dass sie „über den Tellerrand denken“. „Man soll dem Kunden nicht nur sagen: Sie können in London das ,Madame Tussauds’ besuchen, sondern auch gleich eine Karte buchen, damit er sich nicht eine Stunde anstellen muss. Das sind die Details, die es ausmachen.“ Deswegen nutzte Michelle Katzer die vergangenen Monate auch, um sich weiterzubilden. „Ich habe Kataloge mit nach Hause genommen und Webinare der Reiseveranstalter angesehen, damit ich die Zeit sinnvoll nutze“, erzählt der Sardinien-Fan, der heuer noch nach London reiste, bevor Corona die Welt lahm legte. „Im März wäre es nach Nizza gegangen, im Juni nach Ägypten und im August nach Amsterdam. Leider ist daraus nichts mehr geworden“, sagt Katzer immer noch lächelnd. „Aber das wird alles nachgeholt.“ Nach der ersten Unsicherheit sind die Kunden nun aber durchaus „reisehungrig“, wie Katzer und Koch bestätigen. „Einige buchen ihren Mallorca-Urlaub einfach auf einen Österreich-Urlaub um“, so Katzer. „Viele wollen aber auch ans Meer.“ Robert Koch fügt hinzu: „Ein Gutes hat diese Krise. Wir haben viele Kunden, die früher alles selbst gebucht haben, wieder zurückgewonnen, weil es in diesen unsicheren Zeiten wichtig ist, die Sicherheit eines Reisebüros im Hintergrund zu haben.“ Aber wie fühlt es sich eigentlich an, Traumurlaube zu schnüren, wenn der eigene Urlaub vielleicht noch in weiter Ferne liegt? Michelle Katzer: „Neid ist es nicht, aber ich freue mich mit den Kunden, wenn sie einen schönen Urlaub haben. Man sucht ja die Hotels und sieht, was sie alles bieten. Da denke ich mir oft: Mah, schön!“