Sauberkeit und Hygiene haben wegen Corona an Wichtigkeit gewonnen. Kann Ihre Branche davon profitieren?

Gerhard Komarek: Das ist etwas, das mich seit Beginn dieser Krise ein wenig stört – man hat auf die Reinigungskräfte vergessen. Es war zum Beispiel immer die Rede von der Supermarktkassiererin – keine Frage, ein wichtiger Job. Es ist aber ein Unterschied, ob man in einem Krankenhaus mit einer FFP2-Maske, schwitzend, körperlich schwere Arbeit leistet und dabei Schutz- und Vorsichtsmaßnahmen beachten muss. Und danach nach Hause kommt, die Kinder betreut und den Haushalt managt. Darum sind auch die Reinigungskräfte für mich Helden dieser Zeit. Vor allem jene, die in einem Bereich arbeiten, in dem die Infektionsgefahr groß ist wie in Corona-Stationen. Wir planen in Wien deshalb eine Werbe- und Plakatkampagne, wo wir Danke sagen: „Wien sagt Danke Dragan, dass du im Krankenhaus für Sauberkeit und Hygiene sorgst“, „Wien sagt Danke Sarita, dass du im Lebensmittelbereich für Sauberkeit und Hygiene sorgst.“ Einerseits sollen Reinigungskräfte niemanden stören. Andererseits werden sie nicht wertgeschätzt, weil man sie nicht wahrnimmt und somit auch ihre Leistung nicht. Wie gehen Sie mit diesem Schattendasein um?

Gebäudereinigungsakademie
Gebäudereinigungsakademie © (c) Robert Kalb (Robert Kalb)

Ja, das ist ein großes Problem. Jeder setzt Reinigung voraus, alles muss blitzeblank und sauber sein. Wir wollen aber niemanden sehen und wir wollen uns damit auch nicht beschäftigen. Diese Coronakrise könnte uns jetzt aber helfen, dass einmal anerkannt wird, was in diesem Bereich alles geleistet wird. Wir arbeiten deshalb schon seit Jahren an dem Thema Tagesreinigungszeiten. Man will gar nicht glauben, wie schwierig das ist. Natürlich gibt es Bereiche, wo es am Tag nicht möglich ist, zu reinigen. Beispielsweise in Büros oder Thermen. Vielen ist ja auch gar nicht bewusst, wo Reinigungskräfte überall arbeiten. In öffentlichen Verkehrsmitteln, Krankenanstalten und in Lebensmittel be- und verarbeitenden Betrieben beispielsweise. War Kurzarbeit ein Thema in der Branche?

Ja, wir haben Betriebe mit 300 oder 1000 Mitarbeitern, die vor allem in Hotellerie, Shoppingcentern oder Flughäfen tätig sind. Die, die nur in der Krankenhausreinigung tätig sind, hatten wiederum das Problem, dass das Reinigungspersonal Angst hatte, sich anzustecken und sich viele krankgemeldet haben. Die Reinigungsfachkraft ist umgangssprachlich noch oft die „Putzfrau“ - ein Begriff, den man seit Jahren wegbekommen will. Wie hoch ist der Frauenanteil?

Gebäudereinigungsakademie
Gebäudereinigungsakademie © (c) Robert Kalb (Robert Kalb)

Wir haben 71 Prozent Frauen- und 78 Prozent Migrantenanteil. Wobei viele zwar Migrationshintergrund haben, aber schon lange Österreicher sind. Unser größter Betrieb hat knapp 100 Nationalitäten im Unternehmen. Wir haben deswegen eine kostenlose Sprach-App produzieren lassen mit 24 verschiedenen Sprachen, wo die Leute Deutsch lernen können und 1500 Fachbegriffe erklärt werden. Wie macht man Ausbildung und Branche zukunftsfit?

Wir haben einen extremen Rückgang der Lehrlinge, der vor fünf Jahren begonnen hat. Viele Firmen haben darauf gewartet, dass jemand zu ihnen kommt, da wird es aber nur wenige geben. Im Endeffekt hat die Branche früher jene bekommen, die übrig geblieben sind. Wir müssen aktiv auf die Leute zugehen. Deshalb haben wir in Zusammenarbeit mit Schulen ,Job Days’ gemacht. Da kommen die Klassen in die Wiener Reinigungsakademie. Dort haben wir auf 1700 Quadratmeter ein Hotelzimmer, einen U-Bahnwaggon, einen Operationssaal oder ein Labor nachgebaut und auch viele Maschinen, die die Schüler ausprobieren können. Wir brauchen adäquate, körperlich gesunde Leute, um diesen Job machen zu können. Ein weiteres Vorurteil ist, dass das Gehalt überschaubar ist.

In der niedrigsten Lohngruppe werden 9,23 Euro in der Stunde bezahlt. Das sind fast 1600 Euro brutto. Da gibt es viele Berufe, die weniger bekommen. Jemand mit Lehrabschluss bekommt 11,26 Euro in der Stunde. Das sind immerhin 1950 Euro. Ein Lehrling im ersten Lehrjahr 780 Euro, im dritten Jahr 1189 Euro. Wir haben viele junge Burschen, die als Lehrling beginnen und sich hinaufarbeiten. Ich kenne jemanden mit Lehrabschluss- und Meisterprüfung, er hat heute 140 Leute unter sich.

Es gibt immer mehr Roboter, die das Reinigen erleichtern. Sind sie die Konkurrenz der Zukunft?

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Maschinen und Geräte, die alleine in Einkaufszentren und auf Flughäfen herumfahren, das kommt immer mehr. Es macht auch Sinn. Es wird vieles automatisiert und digitalisiert. Wir haben beispielsweise auch Seifen-, Handpapier- oder Toilettenpapierspender, die der Reinigungskraft, Bescheid geben, dass in Toilette 27 bald das Klo- und Handpapier ausgeht. Das wird in Zukunft sicher noch stärker werden, aber die Reinigung an sich, wird ein Handwerk bleiben.