Man kann es natürlich machen wie André Heller und zur folgenden Erkenntnis kommen: „Am Ende aller Reisen weiß man doch wiederum die Erde rund.“ Vielleicht ist es aber doch besser, die eine oder andere Zwischenstation einzulegen, zum Lernen, könnten wir sagen. Und wenn es zumindest vorläufig gut passt und alles schön rundläuft, dann wird es auch Zeit, das zweite Triebwerk zu zünden. Das klingt jetzt auch für Daniel Karelly zufällig ganz gut, weil „Triebwerk II“ für ihn quasi die Mannschaftsbezeichnung bei der Band „Rakede“ ist. Bisweilen nennt er sich zwar auch noch Affe Maria, aber das heben wir uns dann für später auf. Eben dieser Daniel Karelly hat sich längst zu einem Mastermind von „Rakede“, ­Homebase Berlin, emporgeschossen. Und das ist so symptomatisch für den Mann, der eigentlich aus dem beschaulichen, obersteirischen Ort Trofaiach stammt: andocken, mitmischen, unersetzlich werden. Eine Kreativitäts-Trias. 

Kreativität sind für ihn alle Formen der Musik und das wusste er schon relativ früh: „Das Hinwollen war bei mir nie ein geografisch gebundener Ort, sondern immer ein Hinwollen zum künstlerischen Ausdruck. Das war viel mehr eine Idee als ein klarer Weg, aber mit rund 14 Jahren hab ich mich das erste Mal getraut, jemandem zu erzählen, dass ich vielleicht Musik studieren möchte.“ Doch die Konkurrenz der eigenen Interessen war groß: Da Fußball, dort Eishockey, auch Handball war geil. Da treibt man schnell schwerelos begeistert von einem Fixstern zum anderen. Doch diese Unbeschwertheit wurde kanalisiert, erfolgreich aus heutiger Sicht. Zu verdanken hat er das seiner Mutter, „einem Engel“, so der Nachsatz mit festem Unterton. „Sie hat mir erklärt, dass ich eine Priorität setzen muss. Damals hab ich überhaupt nicht gecheckt, was sie von mir will. Aber dann habe ich darüber nachgedacht und es war klar die Musik. Diese Entscheidung hat mir dann relativ früh ein Maß an Durchhaltevermögen und Disziplin beschert.“

Daniel Karelly alias Affe Maria alias Triebwerk II
Daniel Karelly alias Affe Maria alias Triebwerk II © LUPI SPUMA

Ein notwendiges Rüstzeug für den Schlagzeug-Übungsalltag, der ja nur ganz selten im Höhenrausch endet. Aber am Ende doch, denn diese Disziplin ermöglichte ihm unter anderem auch das Jazz-&-Pop-Drums-Studium an der Kunsthochschule in Arnheim, einer Kaderschmiede. Trotzdem eckt man auch dort an, wenn man ausspricht, was andere gerne denken, der Gegenstand vieler Tagträume ist: „Ich will Rockstar werden!“  Also das Ding durchziehen, sich Dinge beibringen, die für die Antwort auf folgende Frage notwendig sind: Warum machst du Musik? „Weil man andere Leute damit erreichen will.“ Bevor er knapp vor dem Ende des Studiums dann doch die Segel gehisst hat, hat er „die Zeit extrem dafür genutzt, um produzieren zu lernen“. Und jetzt hätten wir auch die Schleife zu Affe Maria gezogen: der Künstlername Karellys als Produzent. Unter anderem auch tätig für Samy Deluxe.

Dass hier noch irgendwo ein offenes Studium im Dunkeln lauert, macht dem 30-Jährigen keine Angst – mehr konnte er da schon die Enttäuschung seiner Mutter verstehen, aber er wollte einfach weg von der Theorie, hin zur Praxis: „Ich habe trotzdem gewusst, dass meine Entscheidung die richtige war, und das hat sich auch extrem bestätigt.“

Was nicht heißt, dass die Sache mit dem Lernen auf immer und ewig abgeschafft wäre. Ganz im Gegenteil, lacht Karelly laut auf, aber das ist weniger Last denn notwendiger Treibstoff. Das kann man sogar hören, denn was der 30-Jährige dann rausschiebt, klingt ja fast schon nach einem Songtext: „Für mich ist der Lerngehalt an diesem Beruf einfach das Geilste. Zukunftsängste hab ich, Überlebensängste ja, Angst vorm Scheitern total, volle Kanne. Alles mit am Start, aber ich muss mir nicht eine Sekunde Gedanken über den Sinn machen. Und das finde ich, ist in unserer Zeit, in unserer Welt, ein großes Privileg.“


Ausreichend Möglichkeiten zum Lernen hat er genug – gestern Werbemusik, heute zwei Jungs, die Hip-Hop machen wollen, morgen ein neuer Song von Samy De­luxe. Alles Jobs, um sein Lieblingsding „Rakede“ durchzuziehen. Aktuell läuft der Countdown zur neuen Platte „Es geht mir gut! (Sehr, sehr gut. Sehr gut!)“, die am 17. November erscheint. Damit will man den Abflug in die nächste Dimension schaffen, nachdem man mit dem Vorgänger „Rakede“ 2014 schon großzügig Ohrwürmer verpflanzt hat.

Den ersten Track „Mein schönster Tag in deinem Leben“, hat man bereits Mitte September abgefeuert. Eine gepfefferte Abrechnung mit der digitalen Hypegesellschaft, die beständig am Aufregungsabgrund entlangtänzelt und freudestrahlend auch noch Bilder davon macht. Oder wie es die Band selbst definiert: „Ein rotzig-brummendes Punk-Rock-Brett, um mit den Problemen unserer Zeit abzurechnen: Wachstum und Erfolg sind zu nationalen und ultimativen Werten aufgestiegen. Der Sieges- und Durchsetzungskult kann einen zuweilen ankotzen.“


Eine Zustandsbeschreibung, die auch für das Ha­bitat der Musikindustrie gilt. Karelly hat sich da selbst eine Art Schutzschild gebastelt: „Ich habe relativ früh ein paar wichtige Lektionen gelernt, was den Bestätigungsdruck betrifft. In der Zeit, wo ich die Musik mache, da ist mir alles heilig, da ist jede Meinung extrem gefährlich. Wenn das Ding fertig ist, dann kann ich nur mehr sagen: Ich hab in dem Prozess mein Allerbestes gegeben, jetzt ist es frei zur Bewertung. Ihr dürft es komplett scheiße finden, ihr dürft es komplett cool finden, enttäuscht sein. Das hat dann auch mit mir persönlich nichts mehr zu tun.“ Um den Inszenierungshype auf In­stagram und Co. kommt die Band trotz allem nicht he­rum, aber die Devise lautet Maß und Ziel: „Dieser Zwang, das taugt mir überhaupt nicht. Es kann natürlich Spaß machen, aber dann muss es wirklich aus dem Moment heraus passieren.“ Wie etwa das „Bitte Bitte“-Video, das die Band 2013 auf YouTube gestellt hat und das danach viral ging.

Mittlerweile marschiert das Video auf die drei Millionen Aufrufe zu. Es zeigt die Band an einem Holztisch sitzend, beim Musizieren mit Flaschen, Löffel und Gesang. Dass man dadurch eine breite Masse erreicht hat, war definitiv hilfreich, doch ganz ohne Bauchweh will Daniel Karelly das nicht hinnehmen, geht es hier doch auch um eine Relationsfrage zwischen Hype und harter Arbeit: „Wir haben drei Jahre lang an einem Album gearbeitet, aber das Tischvideo in einer halben Stunde aufgenommen. Es passt total in den Zeitgeist, dass ich eineinhalb Minuten von Babykatzerln belustigt bin, 30 Sekunden von Leuten, die auf die Schnauze fallen, danach kommen kurz irgendwelche Hip-Hop-Jungs und dann kommt schon das nächste Video.“ Das ist die eher unangenehme Begleitmusik des Musiker- und Produzentenlebens.

Die angenehme, aber anstrengende Seite steht der Band in den nächsten Monaten bevor: Nach dem Release der neuen Platte Mitte November wird für die Tour geprobt, die die Band im Dezember auch für mehrere Auftritte nach Österreich bringt. Im Jänner steht die Deutschlandtour auf dem Plan und „danach sollte es schon wieder mit neuer Musik losgehen“. Das klingt nur auf den ersten Blick nach Hamsterrad, auf den zweiten Blick ist es aber das, was „Rakede“ letztlich ausmacht: Musik machen und einfach abheben.