Alle reden von den Ängsten vor der Digitalisierung – wir fragen Sie umgekehrt. Worauf kann man sich bei dieser freuen?
JOHANN FÜLLER: Ich persönlich freue mich, weil viele neue Chancen und Träume ermöglicht werden. Zum Beispiel das autonome Fahren – ich muss nicht mehr von München nach Innsbruck selbst steuern. Die Lebenserwartung steigt bald über 100 Jahre, was natürlich der Technologie zu verdanken ist. Man kann in virtuelle Welten eintreten und unfassbare Dinge erleben wie Fliegen oder durch den Weltraum wandern in einer Echtheit, die gewaltig ist.

Ist unser Rechtsrahmen für die Digitalisierung aufgestellt?
FÜLLER: Definitiv nicht! Aber als einst die Gebrüder Lindbergh über den Atlantik geflogen sind, da sind sie einfach drübergeflogen. Hat es da schon ein Luftfahrtrecht gegeben? Nein! Veränderungen, welche die Technologien erlauben, sind so radikal, dass sie den Rechtsrahmen auf die Probe stellen, weil diese Fälle gar nicht vorgesehen sind.

Wie autonomes Fahren oder das breite Verwenden von Drohnen.
FÜLLER: Genau, da betreten wir Neuland und da hinkt der juristische Rahmen und die Rechtssicherheit dem Ganzen hinterher.

Unsicherheit bei den Menschen löst aus, dass viele mit den Technologien nicht vertraut sind. Was muss passieren, damit Digitalisierung offen angenommen wird?
FÜLLER: In Österreich wird schon eine gewisse Angstverbreitung geschürt. In den USA erlebe ich die Debatte anders. Immer, wenn man etwas Neues macht, heißt es bei uns, dass die existierenden Fähigkeiten weniger wichtig seien und dann verliert man zuerst – glaubt man. Aber man kann das Ganze auch spielerisch angehen. Wow – ich bin neugierig! Gerade beim Lernen gibt es durch die Digitalisierung sogenannte MOOCs (Massiv Open Online Courses), wo ich mir innerhalb kürzester Zeit durch tolle Videoerklärungen Dinge beibringen kann.

Zu Industrie 4.0 und Digitalisierung werden häufig eher Studien zur Jobvernichtung zitiert. Wie bewerten Sie diese?
FÜLLER: Das ist unterschiedlich von Land zu Land. Man geht davon aus, dass bis 2025 zwischen 40 und 70 Prozent herkömmlicher Arbeit ersetzt werden kann – je nach Industrialisierungsgrad. Im deutschsprachigen Raum knapp über 50 Prozent. Vor allem sind Tätigkeiten betroffen, die der Computer besser oder schneller kann und man wenig Wert darauf legt, ob der Mensch oder eine Maschine es erledigt.

Das geht von der Fertigungslinie über die Buchhaltung bis zu . . ?
FÜLLER: Wer hat heute Lust, lange Fragebögen auszufüllen, wenn man sich versichern will, wenn die Maschine das automatisch einschätzen kann. Da gibt es überall große Umwälzungen – auf der anderen Seite werden auch wieder neue Jobs entstehen.
Welche Jobs stehen für uns und die Jugend am Horizont?
FÜLLER: Wenn man Interesse an Computern hat, dann ist es natürlich gigantisch. Mein Sohn mit 14 Jahren hat letztes Jahr seinen ersten Computer zusammengestellt – wobei ich das nicht kann – und der steht total auf Robotik. Sein größter Traum ist es, bald so einen Roboter zusammenzubauen. Im Hightech-Bereich, in der Medizintechnik, Robotik oder Virtual Reality entstehen viele neue Jobs. Und es sind nicht nur die Maschine, die Technologie oder die Software, die generiert werden, sondern auch neuer Content, neue Geschäftsmodelle, neue Dienstleistungen, sodass ich nicht nur als Entwickler eine Chance habe, sondern auch in dem Ökosystem, das Spaß macht, etwa mit Content für virtuelle Welten.

Vernetzte Arbeitswelten lösen Zeit und Raum noch mehr von der Tätigkeit los. Müssen wir das Arbeitsrecht völlig neu schreiben?
FÜLLER: Man wird die Möglichkeit haben, von jedem Platz der Welt aus zu arbeiten, gemeinsam über Kontinente hinweg, in unterschiedlichen Zeitzonen. Es geht darum, dass jemand einen guten Job macht – wann und wo, das sollte nicht mehr entscheidend sein. Die Rahmenbedingungen des Arbeitsgesetzes passen aus meiner Sicht nicht mehr! Sie wurden geschrieben, um Mitarbeiter vor Ausnutzung durch Patriarchen zu schützen, als die Industrialisierung begonnen hat – die ist aber längst vorbei.

Cyber-Sicherheit wird doppelte Herausforderung. Mit der Digitalisierung des Individuums droht absolute Kontrolle, anderseits mit Hacker-Angriffen auf Daten.
FÜLLER: Jeder Fortschritt bringt nicht nur Vorteile. Die Risiken sind neu zu denken. Da wird es auch viele neue Berufsbilder geben: Wie kann man seine Identität virtuell schützen, wie sein Hab und Gut? Wie können sich Unternehmen von Hackern und auch Angreifern schützen? Da muss man Kompetenz aufbauen.

So wie es in Unternehmen immer häufiger CDOs (Chief Digital Officers) gibt. Wobei das digitale Wissen vernetzt zu nutzen ist und nicht in hierarchischen Strategien.FÜLLER: Richtig – auch da muss man überlegen, wie sehen künftige Arbeitsmodelle aus, wer hat das Sagen? Wie orchestriert man Netzwerke? Idealerweise findet man Kooperationsformen, wo jeder tut, was ihm am meisten Spaß macht und er am besten kann.

INTERVIEW: ADOLF WINKLER