Kurz vor Weihnachten des Vorjahres bekam Sara Pleschounig, die Obfrau des Vereins Acoustic Lakeside, ein Schreiben, das die Existenz ihres Vereins ernsthaft bedrohen könnte. Die Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt sandte ihr einen Strafantrag, in dem Vereinsmitglieder aufgelistet wurden, die beim „zuständigen Krankenversicherungsträger“, also der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), angemeldet werden hätten müssen. So zumindest die Ansicht der Finanzpolizei.

Diese hatte den Verein am 15. Juli 2023 um 23 Uhr im Auftrag des Amtes für Betrugsbekämpfung überprüft. 192 Übertretungen wurden dabei festgestellt.. Die Strafe, die im Raum steht, ist, gewaltig. Gefordert wird, laut Rudi Vouk, dem Anwalt des Vereins, für jede einzelne der 192 Personen eine Strafe von 730 Euro, was in Summe mehr als 140.000 Euro ergeben würden – hinzuzurechnen wären wohl noch die Kosten des Verwaltungsverfahrens in der Höhe von zehn Prozent, also weiterer 14.000 Euro. „Wenn wir die volle Summe zahlen müssen“, sagt Pleschounig, „würde mich das nicht nur persönlich treffen, es wäre definitiv das Ende des Vereins.“

An besagtem Juliwochenende des Vorjahres veranstalteten Pleschounig und ihre Mitstreiter wieder das weit über die Grenzen des Landes bekannte „Acoustic Lakeside“-Festival. Dieses findet schon seit 2006 – damals noch als Veranstaltung für „eine Handvoll musikbegeisterter Freunde“, wie es auf der Vereinshomepage zu lesen ist – am kleinen und idyllisch gelegenen Sonnegger See in der Gemeinde Sittersdorf statt. Das erste Jahr war im bescheidenen Rahmen so erfolgreich, dass die „musikbegeisterten Freunde“ weitermachten, um, wie sie sagen, „in der kulturell monotonen Region Vielfalt zu schaffen und alternative Musik in Kärnten zu fördern, ein Zweck, den der Verein seither verfolgt“. In den folgenden Jahren konnten größere Bands und Künstler – von Bush und Bonnie „Prince“ Billy über Son Lux bis Calexico – engagiert werden. Das Festival wuchs rasch. Den Höhepunkt erreichte man im Jahr 2014, damals gab es 4000 Festivaltickets, die binnen kürzester Zeit ausverkauft waren. Doch damit war die Kapazitätsgrenze erreicht – oder bereits überschritten.. „Der Grund dafür war“, sagt der damalige Obmann Raphael Pleschounig, „dass wir gespürt haben, dass unser Verein an seine Grenzen stößt und wir die Organisation vor allem für uns wieder entspannter und ,freizeittauglicher‘ machen müssen..“ Seit 2014 wurde die Kapazität drastisch reduziert.

Zu groß, zu professionell

Trotzdem ist das „Acoustic Lakeside“-Festival nach der Ansicht, die im Strafantrag festgehalten wird, zu groß und zu professionell für einen Verein, auch wenn dieser über 350 Mitglieder hat, die im Vorfeld und während des dreitägigen Festivals unentgeltlich an der Umsetzung arbeiten. „Die vom Verein organisierte Veranstaltung ,Acoustic Lakeside Festival‘ stellt sich nicht als ,Vereinsfest‘ im engeren Sinn dar, sondern wird hier ein hochprofessionelles und straff durchorganisiertes bzw. geplantes Event abgehalten, mit dessen Planung und Umsetzung in aller Regel Eventagenturen beauftragt werden“, ist im Antrag zu lesen. Wenn man so will, ein Kompliment und eine Bestätigung dafür, dass die Ziele des Vereins erreicht wurden, wenn daraus nicht die argumentative Grundlage für eine horrende Strafe abgeleitet würde.

Anwalt Rudi Vouk lässt die Argumentation, ein Verein könne kein „hochprofessionelles“ Event veranstalten, nicht gelten und nennt andere „Vereinsevents“, zum Beispiel das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker. Auch sonst lässt Vouk kein gutes Haar an der Argumentation: „Wenn man sich die Strafanzeige durchliest, ist von Objektivität nichts zu spüren. Es herrscht Voreingenommenheit.“ Weiters wurden, meint er, die Aussagen der Vereinsmitglieder in der Befragung durch die Finanzpolizei weitestgehend ignoriert. „Alle betonen, dass sie freiwillig und unentgeltlich mithelfen, weil ihnen die Musik und das Projekt gefällt. Die Finanzpolizei misst diesen Aussagen überhaupt kein Gewicht bei. Sie fordert sogar, dass die Eltern, Geschwister oder Partner der Vereinsfunktionäre als Dienstnehmer angemeldet sein müssten.“

Obfrau Sara Pleschounig
Obfrau Sara Pleschounig © KK/Diva Shukoor

Ein weiterer Punkt findet in der Argumentation der Finanzpolizei keine Beachtung. Vouk: „Die Vereinsmitglieder haben sich jeweils vorher bei der Österreichischen Gesundheitskasse und auch bei einer Steuerberatungsfirma informiert, ob wohl alles in Ordnung ist.“ Beide bestätigten dem Verein dieses. In einer E-Mail der ÖGK aus dem Vorjahr heißt es wörtlich: „(...) wie vorhin telefonisch besprochen bestätige ich hiermit, dass mithelfende Vereinsmitglieder von Acoustic Lakeside nicht in der Sozialversicherung anzumelden sind, sofern die Tätigkeit freiwillig und unentgeltlich durchgeführt wird“.

Die Anfrage der Kleinen Zeitung zu den konkreten Vorwürfen des Anwalts, wurde vom Finanzministerium, das für das Amt für Betrugsbekämpfung verantwortlich ist, nur pauschal beantwortet: „(...) zu konkreten Steuerpflichtigen bzw. einzelnen Verfahren dürfen wir aufgrund der abgaberechtlichen Geheimhaltungspflicht gemäß §48a BAO keine Auskunft erteilen“. Auch die meisten Fragen an die BH Völkermarkt wurden mit Verweis auf den Datenschutz und das laufende Verfahren nicht beantwortet. Bestätigt wurde jedoch, dass die BH auch das „statutenkonforme Handeln des Vereins“ prüft. Der Stand ist „noch offen und wird geprüft“.

Einstellung beantragt

Vouk übersandte der Bezirkshauptmannschaft am 15. April eine Rechtfertigung des Vereins, die mit dem Antrag schloss, das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen. Er geht aber davon aus, dass die Finanzpolizei zur Rechtfertigung wiederum eine Stellungnahme einbringen werde. „Wenn die Bezirkshauptmannschaft das Verfahren nicht einstellt, folgt eine Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht und danach erforderlichenfalls an den Verfassungsgerichtshof und eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof.“ Da er die Kumulation der Strafe nach der Zahl der Übertretungen als „europarechtswidrig“ erachtet, würde er „Anträge auf Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens vor dem Europäischen Gerichtshof“ stellen. Sollte das Verfahren nicht eingestellt werden, könnte, sagt Vouk, „das Verfahren Jahre dauern“.

Trotz der Verunsicherung im Verein ob der drohenden Strafe, wird es heuer vom 18. bis 20. Juli ein weiteres Festival am Sonnegger See geben, die Verträge mit internationale Acts wie Calexico, die ein weiteres Mal das Festival besuchen, Waxahatchee oder der Bombay Bicycle Club sind gemacht. „Wir sind schon mitten in den Vorbereitungen, das Festival könnte auch nicht mehr gestoppt werden“, sagt Sara Pleschounig. Trotzdem wird man sich absichern, da man mit weiteren Kontrollen und – im Wiederholungsfall – weiteren, höheren Strafen rechnet: „Wir prüfen gerade unsere Optionen. Wahrscheinlich wird es darauf hinauslaufen, dass wir alle Personen laut Finanzpolizei-Strafantrag anmelden werden, unter dem Vorbehalt, dass wir das nur wegen dem laufenden Verfahren machen. Das Ganze wird uns einen fünfstelligen Betrag kosten.“ Das heiße aber auch, so Pleschounig, „dass wir an allen anderen Stellen einsparen müssen, vor allem auch auf Kosten des Musik- und Kulturprogramms“.