In einem anonymen Schreiben werden die Zustände in der Flüchtlingsunterkunft in Lamm 8 in der Gemeinde St. Andrä als „katastrophal“ beschrieben. Die Flüchtlinge seien fernab jeglicher Zivilisation und würden sich selbst überlassen werden. Viele hätten keine Schuhe, keine Socken, vielfach nur Plastikschlapfen. Und das auch im vergangenen Winter. Es gebe auch keine Möglichkeit, ins Tal zu kommen. Es würden zudem mehr Personen untergebracht sein, als die Kapazität erlaubt. Dem Betreiber werde auch vorgeworfen, dass die Unterkunft nur wegen des finanziellen Profits zur Verfügung gestellt werde. Die Flüchtlinge würden außerdem unmenschlich behandelt werden. „Nach meinem Ermessen müsste diese Art von Unterbringung sofort geschlossen werden. Ich schäme mich als österreichischer Staatsbürger, dass Flüchtlinge in unserem Land so behandelt werden“, ist in dem Schreiben zu lesen.
Die Flüchtlingsunterkunft in Lamm wird seit rund zehn Jahren betrieben. „Das Quartier steht nicht zuletzt aufgrund seiner Lage unter besonderer Begleitung und Betreuung von Seiten des Flüchtlingswesens. Als Vollversorgungsbetrieb ist sichergestellt, dass eine Betreuungsperson als Ansprechpartner für die Bewohner rund um die Uhr vor Ort ist. Mindestens ein Mal pro Woche, bei Bedarf auch öfters, wird das Quartier auch über die Regionalbetreuung angefahren und die Bewohner werden vor Ort mit Dolmetschern betreut“, gibt Kärntens Flüchtlingskoordinatorin Barbara Roschitz bekannt. Ihr liege das Schreiben selbst vor, die darin erhobenen Vorwürfe seien bereits überprüft worden und konnten „nicht verifiziert werden“. „Aus unserer Sicht zeichnet sich Gott sei Dank ein anderes Bild der Gesamtsituation. Der Standort wird laufend, auch unangemeldet, kontrolliert“, sagt Roschitz.
Die Transportlogistik sei auch „ausreichend sichergestellt“. Die Fahrt zu notwendigen Arztterminen, aber auch um persönliche Einkäufe zu gewährleisten, sei ein Teil des Vertrages, der zwischen dem Betreiber und dem Land Kärnten abgeschlossen wurde. Laut den Anrainern würden auch viele zu Fuß unterwegs sein – und das auch zu späterer Stunde. „Zu sehen und zu hören sind vorwiegend Männer. Da haben wir schon ein mulmiges Gefühl, wenn nachts mehrere unterwegs sind“, schildern die Anrainer. Ein Austausch untereinander finde nur „sehr selten“ statt. Hin und wieder besuchten in der Vergangenheit auch vereinzelt Flüchtlinge die Heilige Messe.
Zurzeit gibt es im Bezirk Wolfsberg fünf Flüchtlingsunterkünfte, vier im Bezirk Völkermarkt. In Eisenkappel-Vellach/Železna Kapla-Bela gibt es zwei Quartiere – eines befindet sich direkt im Ort, ein weiteres einen Kilometer davon entfernt. „Jenes im Ort beherbergt nur Familien, im anderen sind Männer untergebracht“, weiß Bürgermeisterin Elisabeth Lobnik (SPÖ). Vor Jahren hingegen wurde eine rund zehn Kilometer vom Ortskern entfernte Flüchtlingsunterkunft in Eisenkappel-Vellach stillgelegt.
Von den 44 Asylwerbern seien etwa 30 Männer. „Es funktioniert bei uns sehr gut. Die anfänglichen Bedenken, dass sich ein Quartier direkt im Ort befindet, gibt es nicht mehr“, sagt Lobnik. Zu Beginn wurden einige auch im Bauhof beschäftigt. „Es scheiterte aber an der Sprachbarriere, wobei wir die Möglichkeit, sie beschäftigen zu dürfen, bei Bedarf auch in Anspruch nehmen“, sagt Lobnik, die darauf hinweist, „dass für eine erfolgreiche Integration ein Deutschkurs sehr wichtig ist“. Es gebe aber auch immer wieder Arbeitswillige, die aufgrund des Systems leider sehr lange nicht arbeiten dürfen. „Zurzeit hilft eine junge Frau im Kindergarten beim Kochen, bei der Essensverteilung und bei der Reinigung. Sie ist sehr engagiert und will einen Beitrag dafür leisten, dass sie hier sein kann“, sagt Lobnik. Maximal 110 Euro pro Monat dürfte die Frau verdienen. Aber auch am Gesellschaftsleben würden vor allem die Familien gerne teilnehmen. Aufgrund der Fluktuation würde es auch immer wieder einen Wechsel unter den Asylwerbern geben.
An letzter Stelle
Warum das Quartier in Lamm eher abgeschieden liegt? „Quartiere können von Seiten des Landes nur dort betrieben werden, wo sie zur Verfügung gestellt werden. Dies ist aufgrund der örtlichen Gegebenheit in Kärnten überwiegend im dezentralen Raum, aufgeteilt auf alle Bezirke in Kärnten. Sofern freie Kapazitäten in zentraleren Quartieren zur Verfügung stehen, werden die Fremden nach und nach in diese Quartiere verlegt, wodurch sich die durchschnittliche Verweildauer in dezentralen Quartieren auf wenige Monate beschränkt“, sagt Roschitz. Die Bereitschaft, Quartiere zum Zweck der Grundversorgung zur Verfügung zu stellen, sei aktuell weder bei den Eigentümern noch bei den Gemeinden ausreichend vorhanden. Das sei mit ein Grund, warum das Land Kärnten im Quotenvergleich der Bundesländer an letzter Stelle liege.
Bei der Unterbringung im Rahmen der Grundversorgung stehe das „Ankommen“ und die Versorgung der Flüchtlinge mit den wichtigsten Dingen des Alltages im Vordergrund. So stehe beispielsweise jenen in Lamm neben der Unterkunft, der Verpflegung und einer Krankenversicherung ein Taschengeld für persönliche Bedürfnisse pro Person und Monat in der Höhe von 40 Euro zur Verfügung. „Auch wenn Integrationsmaßnahmen in der Grundversorgung gesetzlich nicht vorgesehen sind, so organisiert und finanziert das Land Kärnten auch in dezentralen Gebieten regelmäßig Deutschkurse als Basis erster Integrationsschritte“, sagt Roschitz.
Aktuell ist die Flüchtlingsunterkunft in Lamm voll belegt. Rund 80 Personen, überwiegend im Familienverband, sind dort untergebracht. Der Quartiergeber bekommt 25 Euro brutto pro Person und Tag im Rahmen der Grundversorgung abgegolten. „Das ist aktuell österreichweit für diese Form der Unterbringung vorgesehen“, weist Roschitz hin. Auf ein Jahr gerechnet, mit dieser Belegung, würde der Quartiergeber eine Bruttosumme von 730.000 Euro erhalten. „Wir wissen, dass das Quartier in Lamm aufgrund seiner Lage bei den Bewohnern nicht besonders geschätzt wird und sind daher bemüht, die Verweildauer der dort untergebrachten Personen so kurz wie möglich zu gestalten. Dies liegt jedoch nicht an der Qualität der Versorgung oder des Betreibers“, weist Roschitz hin. Die Betreiberfamilie wollte zu den Vorwürfen keine Stellungnahme abgeben. Ein Lokalaugenschein wurde nicht erlaubt, da ein grundsätzliches Zutrittsverbot gelte.