Im Spätmittelalter war Kärnten der Bedrohung durch kriegerische Einfälle der „Türken“ (Osmanen) ausgesetzt. Insbesondere berittene Vorhuten der osmanischen Armee stellten eine ernste Bedrohung für die in ungesicherten Dörfern lebende Bevölkerung des ländlichen Raumes dar. Da die „Türkenabwehr“ durch den Adel versagte, war die bäuerliche Bevölkerung abseits befestigter Orte den Übergriffen der als „Renner und Brenner“ bekannt gewordenen türkischen Streifscharen schutzlos ausgeliefert.

Eine Schießscharte in der Friedhofsmauer in Lading
Eine Schießscharte in der Friedhofsmauer in Lading © Josef Barth

Als Schutz für die bäuerliche Bevölkerung wurden allerorts Gotteshäuser und Friedhofsanlagen zu wehrhaften Bastionen umgebaut. „Im Prinzip hat man bei jeder Kirche, bei der es möglich war, die Mauern hochgezogen, Wehrgänge angelegt und die Türen mit Eisen beschlagen. Als Wehrkirchen bezeichnet man jene Gebäude, bei denen wir heute noch sehen, dass sie wehrhaft gemacht wurden“, berichtet der Wolfsberger Historiker Josef Barth. In Bad St. Leonhard wurden Kirche und Karner der Leonhardikirche zum Schutz vor Feinden mit einer mächtigen Wehrmauer umgeben. An der Nordseite bot ein wasserführender Graben zusätzlichen Schutz. Ein Angriff auf die ehemalige Kirchenburg ist nicht überliefert. Ihr wehrhaftes Aussehen hat die Anlage heute eingebüßt. Ein Großteil der Mauer wurde auf zwei Meter reduziert, nur im Süden blieb die Futtermauer bis zu sechs Meter hoch. Wehrtechnisch interessant sind die zwei blechbeschlagenen Türflügel vom Kirchentor im Westturm, denn sie weisen je eine Schießscharte in Dreiecksform auf. „In Lading, Pölling und Lamm wurden bis zu fünf Meter hohe Mauern um die Kirchen errichtet“, so Barth, „um zu verhindern, dass die Türken mit ihren Leitern darüber gelangen. In St. Thomas gab es beim Altar einen Zugang zu einem unterirdischen Fluchttunnel, der in Richtung Neudau führte.“

Die Pfarrkirche Hl. Martin in Diex mit Wehrmauer 
Die Pfarrkirche Hl. Martin in Diex mit Wehrmauer  © Josef Barth

Angesichts der türkischen Gefahr umschloss man die Kirche in Diex mit einer rund fünf Meter hohen Ringmauer, die im Osten und Westen durch zwei Halbrundtürme verstärkt ist und damit einen unregelmäßigen, sechseckigen Grundriss bildet. Bis ins 18. Jahrhundert umgab die Mauer ein Trockengraben, über den eine Zugbrücke durch den tonnengewölbten Torturm in den Kirchhof führte. Das Obergeschoß des Torturms diente als Wächterbehausung, darüber lag das eigentliche Wehrgeschoß. An der Innenseite der Wehrmauer verläuft der hölzerne Wehrgang. Im Falle eines befürchteten Türkenangriffes stand eine mit einem Balken abdeckbare Wurföffnung, die zur Verteidigung mit siedendem Wasser, Pech oder Steinen zur Verfügung. Das Satteldach des Wehrgangs weist das in Kärnten und Slowenien übliche, feuerfeste Deckungsmaterial, die handgebrochene „Schiefersteinplattln“, auf.

Die wehrhafte Außenmauer in Hochfeistritz 
Die wehrhafte Außenmauer in Hochfeistritz  © Josef Barth

Kirche und Friedhof in Hochfeistritz in der Gemeinde Eberstein sind von einer vieleckigen hohen Wehrmauer umgeben. Da nur die östliche Seite nicht von steilen Hängen begrenzt wird, ist diese am stärksten befestigt. Der mit zahlreichen Schießscharten versehene Torbau wurde früher von einer Zugbrücke geschützt. In Grafenbach in der Gemeinde Diex erfolgte der Bau der Wehranlage und der Umbau zum gotischen Gotteshaus Ende des 15., Anfang des 16. Jahrhunderts. Dort umschließt eine drei Meter hohe Mauer die Kirche in Form eines Siebenecks. Der stattliche Torturm mit gewölbter Einfahrt hat ein Ausmaß von fünf mal sechs Meter. Im Erdgeschoß sind drei Schlüsselscharten mit Nischen erhalten. Im Obergeschoß befand sich zunächst die Wächter- und später die Mesnerstube, darüber lag das tatsächliche Wehrgeschoß. Im Kirchhof ist der hölzerne Wehrgang vollständig erhaltenen geblieben. Er ist heute noch begehbar. Kirche und Torturm, die zum als Schutz gegen Brandpfeile mit „Natursteinplattln“ gedeckt sind, bilden eine geniale Verteidigungskonstruktion. Die Guss- oder Wurfspalte an der Schildwand, durch die der Feind mit heißem Pech, Steinen oder siedendem Wasser überrascht werden konnte, ist heute nur noch teilweise zu erkennen.

 Der Wolfsberger Historiker Josef Barth
Der Wolfsberger Historiker Josef Barth © Daniel Strassnig

„Unter den fünf Türkeneinfällen, die zwischen 1473 und 1483 stattgefunden haben, litten besonders die Bauern. Die hohen Herrschaften waren oft nicht bereit, gegen die Eindringlinge zu Kämpfen und verschanzten sich in ihren Burganlagen. Die Bauern nahmen den Kampf selbst in die Hand und verteidigten sich mit selbstangefertigten Waffen. Im Landeszeughaus in Graz zeugen noch ein paar Langwaffen davon“, berichtet Barth. Er präsentiert im Museum im Lavanthaus am 13. März um 19 Uhr seine Forschungsergebnisse.

Historiker Alexander Verdnik
Historiker Alexander Verdnik © KK