Sie schreibt Gedichte. Eines ihrer neueren heißt „Bleeding Wars“, ist auf Englisch und thematisiert den Krieg in der Ukraine. „Ich habe mir Gedanken darüber gemacht, weil so viel darüber gesprochen wird. Ich wollte beschreiben, wie ich mir den Krieg dort vorstelle, wie es die Zivilisten und die Kinder betrifft“, sagt Elisabeth* (17), eine von zwei Jugendlichen, um die es in dieser Geschichte geht. Die andere ist Martina (14).

Sie beide lesen gerne bis tief in die Nacht. Sie beide haben WG-Erfahrung. Sie beide nehmen Familienintensivbetreuung (FIB) in Anspruch, denn sie beide leiden seit Jahren an schweren Depressionen. Suizidale Gedanken machen aus dem Alltag sehr oft eine kaum zu bewältigende Kraftprobe.

„2018 war ein schwieriges Jahr für mich. Es ist mir immer schlechter gegangen, ich bekam Depressionen diagnostiziert, dann war ich in der Psychiatrie und es ging nur noch bergab“, erzählt die 17-jährige Elisabeth. Ein zerrüttetes Elternhaus machten ein Leben zu Hause nicht mehr möglich, seit einer Weile lebt sie in einer WG.

Familienkonflikte Teil des Alltags

Für Martina war Corona ein Tiefschlag, die aufgezwungene Isolation, zog sie in ein tiefes Loch. „Es hat mir auch gezeigt, wie Menschen sind. Wenn man sich bei einem Menschen nicht meldet, dann brach wegen Corona einfach der Kontakt ab.“ Schon seit Kindesjahren begleiten sie Familienkonflikte, sie wuchs mit einem Alkoholiker auf, musste von zu Hause ausbrechen, landete in einer WG. Ihr mentaler Zustand verschlimmerte sich, Alkohol- und Drogenmissbrauch häuften sich und Suizidgedanken kamen auf. „Ich wusste irgendwann nicht mehr weiter.“ Mittlerweile lebt sie wieder zu Hause bei ihrer Mutter und deren Partner. „Eine gute Entscheidung“; wie sie selbst sagt.

Familienintensivbetreuung gibt Halt

Wie Elisabeth fand sie schließlich den Weg in die FIB, eine Art Unterstützung für den Alltag. Ihre Betreuerin bietet auch tiergestützte Therapie an, durch den Umgang mit Hunden und Pferden finden die Mädchen einen Weg mit ihrer Lebenssituation zumindest zeitweise besser umzugehen. Was sie in der FIB dosiert erhalten, ist das, was sie generell kritisieren: „Die Meinung von uns Jugendlichen und Kindern kommt viel zu kurz. Unsere Tiefen und Probleme werden immer abgestempelt als Phasen. Dabei gibt es viele in meinem Freundeskreis, die solche Probleme haben“, meint etwa Martina.

Studiendaten zeichen klares Bild

Studiendaten belegen, dass die Pandemie für alle Menschen unterschiedlich belastend war: „Jugendliche gehören zu den vulnerablen Gruppen, die in der Pandemie stärker gelitten haben als andere“, erklärt Christa Rados, Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie. Umfragen zeigen, dass im Jänner 2021 rund 50 Prozent der befragten 18- bis 24-Jährigen in Österreich von depressiven Symptomen berichten. 2018 ging aus einer europäischen Schülerstudie hervor, dass 90 Prozent der Teilnehmer in Österreich einen ausgezeichneten oder guten Gesundheitszustand vorweisen. 2021 lag dieser Prozentsatz bei 3502 befragten Schülern im Alter von 15 bis 20 Jahren bei 63 Prozent.

Expertin rät zu schneller Hilfe

Rados hält fest: „Jugendliche haben sehr einschneidende Veränderungen ihres Lebensstils von einem Tag auf den anderen hinnehmen müssen. Schule ist ein wichtiger Ort sozialer Begegnung, der Freundeskreis, gemeinsame Unternehmungen. Kinder und Jugendliche haben ein anderes Zeiterleben, die Zeit vergeht langsamer, für sie waren diese Monate endlos, wo sie ihre Freunde nicht treffen, ihren Aktivitäten nicht nachgehen konnten. Darunter haben sie massiv gelitten und leiden auch noch.“

Sie empfiehlt daher: „Professionelle Hilfe organisieren und Hilfsangebote nutzen, sei es Beratungsstellen oder auch Psychologen.“
Für Elisabeth bleibt Stift und Papier, die Botschaft ihrer Gedichte: „Man soll sich öffnen, sagen, was man sich denkt. Seine Kreativität zeigen. Viele Jugendliche haben so viele schöne Talente, die sie sich oft nicht trauen, nach außen hinzuzeigen.“

*Beide Namen wurden von der Redaktion geändert.