Susan Klemmt trägt ihre Tochter im Arm und spaziert über den drei Hektar großen Grund mit Schwimmteich, Spielplatz und Hühnerstall. „Als alleinerziehende Mutter von drei Kindern, ist es nicht immer einfach, den Alltag zu bewältigen. Mir fehlt einfach auch der soziale Kontakt für meine Kleinen. Ich habe das Bedürfnis nach einem Gemeinschaftsleben, das hier herrscht, wo meine Kinder gut aufgehoben sind und auch ich Ansprechpartner habe.“
Die 38-Jährige befindet sich im Annäherungsprozess. Sie volontiert für acht Wochen, arbeitet 20 Stunden in dem Haus, das einst als Familienpark Hotel Mittagskogel bekannt war. Als eine touristische Anlaufstelle für Familien und Gruppenreisen, bot das Hotel kärntnerisches Entspannen, im Antlitz des Mittagskogels, Faaker See und Aichwaldsee nur einen Sprung entfernt. Im unveränderten Landschaftsidyll sieht man dieser Tage aber keine Touristengruppen einchecken, sondern Menschen, die im Garten ein Rondo bilden und angeregt Diskurs führen.
Konzept zum Kauf der Immobilie wird entworfen
„Wir tüfteln gerade an einem Konzept, wie wir das Hotel kaufen können“, sagt Lisa Engel. Die 56-Jährige ist Teil einer generationen- und kulturübergreifenden Wohngemeinschaft, die seit circa acht Monaten das ehemalige Hotel ihr zu Hause nennt. Insgesamt leben dort zurzeit sechs Erwachsene, sechs Kinder, drei Volontäre und drei Menschen „in Annäherung“.
Noch gehört das Grundstück „Fair-Immobilien“, einem Unternehmen, das von Julia Petschnig, Obfrau des Vereins „Together“ und ihrem Vater, Multiunternehmer Franz Petschnig, gegründet wurde. Seit April 2016 belebt der Verein mit seiner Initiative „live.together“ die ehemaligen Räumlichkeiten des Gasthofs Lorenz in Ledenitzen. Mit dem Arbeitstitel „Kunst am Kogel“ möchte die Initiative auch das ehemalige Hotel revitalisieren.
Günstiges Wohnen ist der falsche Ansatz
Zurück zum Hotel, das zum Zuhause für mehrere Generationen werden soll. Die dreifache Mutter Klemmt lernt im Annäherungsprozess die Abläufe kennen. Küchen- und Abwaschdienste, Gartenarbeit, Kinderdienst. Mehrmals finden Gespräche mit der Gruppe statt, in denen reflektiert wird. Konflikte werden angesprochen, aufgearbeitet und im besten Fall gelöst. Frühestens nach acht Monaten erfolgt der ständige Beitritt zur Gemeinschaft, sofern man sich versteht. Eine Vorsichtsmaßnahme, wie Engel erklärt, denn die Motivation hier zu leben, soll nicht der Ausblick auf günstiges Wohnen sein, sondern sich als Gemeinschaft weiterzuentwickeln.
Wie gestaltet sich das Leben in der Gemeinschaft? Gemeinsam mit ihrem Mann und einem Kind liegen die Kosten von Engel monatlich bei circa 900 Euro. Betriebs- und Erhaltungskosten wie Strom und Erdöl, die Nutzung des gesamten Areals sowie die Verpflegung sind mit dem Anteil abgedeckt. Dieser variiert von Person zu Person. „Für Neueinsteiger haben wir einen definierten Richtwert von 350 bis 450 Euro. Wir würden es gerne solidar-ökonomisch festhalten“, meint Engel. Heißt im Klartext: Wer weniger hat, zahlt weniger, wer mehr hat, mehr.
Im Alltag leistet jeder seinen Beitrag. Die Rollen sind dabei klar verteilt. Daniel und Aki waschen Gemüse, grübeln, welches Gericht auf den Teller kommt. Die Auswahl orientiert sich nach dem, was gerade vor dem Abfall gerettet und zugekauft wurde. Im Gemeinschaftsraum gibt Alexander eine Zeichenstunde.
Verschiedene Finanzierungsmöglichkeiten werden sondiert
Die WG ist strukturiert und funktioniert, der jeweils andere profitiert von der Gemeinschaft. Im Laufe des Jahres soll das Konzept erweitert werden: „Wir möchten hier einen Ort der Begegnung schaffen für Kunst, Handwerk und Kulturen“, meint Engel und denkt dabei an Vernissagen, Workshops und Seminare. Über die Jahre hinweg soll sich eine stetige Tiny-House-Siedlung niederlassen. Zwei Minihäuser stehen bereits, „do it yourself“ versteht sich. Das Spektrum der Möglichkeiten scheint ad infinitem. Dass es für diese Vision Hilfe von außen braucht, dessen ist man sich bewusst. „Wir sind auch offen für externe Berater, die ihre Expertise in die Konzepterstellung einfließen lassen“, lädt Engel ein. „Upcycling“ und „Reuse“ stehen dabei im Vordergrund.
Eine Vereinbarung über den Kaufpreis mit dem Besitzer besteht, ein Preis wird noch nicht genannt. Finanzierungsmodelle wie der Vermögenspool oder Mietkauf stehen im Raum.
Martin Johaim