Die Mitglieder der Drogenambulanz „Roots“ haben auch in der Coronakrise alle Hände voll zu tun. Rund 800 Menschen werden derzeit an den Standorten Villach, Feldkirchen und Spittal betreut, der Großteil von ihnen aufgrund von illegalem Drogenkonsum. „Durch die Pandemie haben wir unsere Arbeit etwas anders aufstellen müssen“, berichtet der ärztliche Leiter, Gerald Kattnig. „Die Anzahl der telefonischen Beratungen hat zugenommen. Der Großteil der Gespräche findet aber nach wie vor persönlich statt.“ Strikte Hygieneauflagen, wie das Tragen einer FFP2-Maske im gesamten Gelände, müssen eingehalten werden.
Mit der Krise gehen seine Klienten unterschiedlich um: „Für einen Teil von ihnen ist die Nicht-Absehbarkeit eine Belastung“, so Kattnig. Andere dagegen, etwa solche, die an Angststörungen leiden, würden von der Reduktion der sozialen Kontakte profitieren.
Und weil große Events und Parties nicht mehr stattfinden, sei die Versuchung, Drogen auszuprobieren, etwas geringer.
Eine gewisse Erleichterung verschafft der Lockdown jenen Menschen, die an einem Substitutionsprogramm teilnehmen. „Sie bekommen großzügigere Mengen mit“, sagt Kattnig. Dafür erhöht sich der Mehraufwand für die Ärzte, die nun die behördlichen Genehmigungen einholen müssen.
Drogenerwerb im Netz
Verändert hat sich die Art des Drogenerwerbs: Er hat sich von der Straße ins Internet verlagert. Im Netz könne zu jeder Tages- und Nachtzeit bestellt werden, erklärt Kattnig. „Der weitere Versand über den Postweg lässt sich leider nie lückenlos überwachen.“ Bei den illegalen Substanzen ließ sich zuletzt eine Zunahme von LSD beobachten. „Das kann auch daran liegen, dass Menschen, denen im Lockdown die Struktur durch die Arbeit fehlt, eher zu solchen Experimenten neigen“, so Kattnig.
Vorsicht bei Benzodiazepinen
Weil es aufgrund der Grenzkontrollen zeitweise zu Engpässen kam, sind derzeit häufiger Mischformen zwischen legalem und illegalem Drogenkonsum zu beobachten. „Verschiebung ist Alltag“, sagt Kattnig. „Wenn eine bestimmte Droge nicht erhältlich ist, greifen Suchtkranke zu anderen Mitteln.“ In diesem Zusammenhang warnt Kattnig davor, dass Menschen, die durch die Krise unter Zukunftsängsten leiden, und zu Beruhigungsmittel greifen, in eine Abhängigkeit schlittern können. „Substanzen wie Alkohol oder Benzodiazepine sind keine Therapie, die langfristig gegen Ängste wirkt“, betont er.
Weniger Drogentote
Einen Hoffnungsschimmer sieht er in der „massiven Abnahme“ der Drogentoten: Die Zahl hat sich von 15 im Jahr 2019 auf fünf im Corona-Jahr 2020 reduziert. „Es ist zu hoffen, dass die Dimension von vor zwei Jahren nicht mehr erreicht wird“, so Kattnig.
Julia Braunecker