Die Bilder der Parkplätze auf dem Dobratsch sprechen eine klare Sprache: Die Kärntner suchen Natur und Sonne - und einen Weg, dem Lockdown zumindest stundenweise zu entkommen. Die Folge in Villach: Der Hausberg ist so stark besucht, wie seit 50 Jahren nicht mehr. 60.000 Fahrten wurden in der heurigen Sommersaison auf den Dobratsch gezählt. "Die Frequenz im Jahr 2020 war die beste in der 50-jährigen Geschichte der Villacher Alpenstraße. Die Zählung endete am 15. November, seither ist die Straße mautfrei", sagt Johannes Hörl, Geschäftsführer der Villacher Alpenstraßen Fremdenverkehrs GmbH, in deren Eigentum die Straße steht.
Nicht nur an den Wochenenden, sondern auch unter der Woche werden die Gipfel gestürmt. Auf dem Dobratsch sind die Parkplätze sogar im zweiten Lockdown teils überfüllt, so auch am Mittwochnachmittag (siehe Foto). "Manchmal ist jetzt mehr los, als an richtig starken Wintertagen. Am Wochenende waren sogar die Parkplätze bis hinunter zu Knappenhütte voll", sagt ein Naturliebhaber, der mehrmals pro Woche auf den Dobratsch wandert. Ein anderer wiederum bezweifelt, dass man so die Infektionszahlen in den Griff bekommen könne. "Immer wieder sieht man Menschengruppen, die vermutlich auf mehrere Haushalte aufgeteilt sind und die Abstände nicht einhalten."
Villachs Behördenleiter Alfred Winkler dazu: "Primär ist es so, dass es sich im Auto staut. Im Freien selbst ist genügend Platz, Menschenansammlungen sind noch nicht das Problem. Unseres Wissens werden die Abstände eingehalten" Was die Ausgabe (Abholung) von Speisen und Getränken wie Kaffee bei den Hütten am Ende der Alpenstraße anbelangt, stellt Winkler klar: "Wenn man dort was kauft, muss man das in einem Mindestabstand von 50 Metern zur Ausgabestelle konsumieren." Ansonsten verstoße man gegen die Vorgaben. Auch wolle man auch am Berg die Abstands- und Maskenpflicht kontrollieren.
Kurios ist, dass seit Beginn des Lockdowns die beiden Webcams die normalerweise aktuelle Bilder vom Parkplatz Rosstratte liefern, derzeit nicht verfügbar sind. Es heißt: An der Reparatur werde derzeit gearbeitet.
Saisonverlängerung und Pläne zu Sperre
Angesichts der hohen Frequenz stellt Hörl eine Saisonverlängerung zur Diskussion: „1000 Fahrzeuge pro Tag gehen immer. Gefühlt wird der Herbst, wie sich derzeit zeigt, immer schöner und länger. Da kann es sein, dass binnen fünf Tagen 10.000 Fahrzeuge hinauf wollen.“ Unreguliert, wie Hörl betont: „Wir sind die Besucherlenkung in einen schönen Naturpark. Man müsste sich überlegen, die Saison zu verlängern.“ Grundsätzlich sehe Hörl den Naturpark auch in Corona-Tagen als perfektes Ausflugsziel, das man mit Abstand genießen könne.
Villachs Naturparkreferentin Irene Hochstetter Lackner (SPÖ) zum Thema: "Es ist verständlich, dass die Villacherinnen und Villacher die Möglichkeit nutzen und auf den Berg hinauffahren, besonders bei tagelangem Nebel." Sie empfehle zur Entlastung auch andere Wanderrouten etwa jene beim Alpengarten zu nutzen.
Beim ersten Lockdown wurde die Alpenstraße übrigens wegen des großen Ansturms von den Behörden in Abstimmung mit Hörl temporär gesperrt. Dass es wieder dazu kommen könnte, stellte Villachs Behördenleiter Winkler vor wenigen Tagen in den Raum. Am vergangenen Wochenende wurde vorerst ein Parkdienst eingesetzt. Hochstetter-Lackner: "Bisher ist alles geordnet abgelaufen. Jedes Wochenende wird evaluiert, danach richtet sich die weitere Vorgangsweise." Seit Sonntag, mit Aufhebung der Maut, ist übrigens die Stadt Villach für Straßenerhaltung und Winterdienst zuständig.
Mehr Rettungseinsätze befürchtet
Eine weitere Folge des Berggenusses ist, dass eine steigende Zahl von Rettungseinsätzen nach Unfällen zu befürchten ist. Erst am Mittwoch musste ein Wanderer im Dobratschgebiet von der Bergrettung geborgen werden. Er war am Jägersteig ausgerutscht und verletzte sich dabei. Glaubt man den Aussagen aus dem Sportartikelhandel, ist auch im kommenden Winter mit einer weiteren Frequenzsteigerung auf den Bergen zu rechnen. "Immer mehr Leute kaufen sich Skitourenausrüstungen", heißt es. Die Bergrettung gehe davon aus, dass sich die Zahl der Alpinunfälle dadurch erhöhen werde.
Eine weitere Frequenzsteigerung würde gerade am Dobratsch auch die ohnehin strapazierte Verkehrssituation an winterlichen Ferientagen zunehmend belasten. Hier arbeite man bei der Stadt an einem Verbesserungskonzept. Im Februar wurde die Straße von Demonstranten sogar temporär gesperrt. Sie forderten eine Verkehrsberuhigung des Naturparks.
Auch Geritzen-Mautstraße überlastet
Staus und unzählige Bergliebhaber gab es zuletzt auch auf der Gerlitzen. Am Wochenende waren auch hier die Parkplätze bereits am Vormittag gerammelt voll, parkten viele entlang der Straße. Bei der Kasse der Mautstation kam es bei der Rückfahrt von der Kanzelbahnbergstation nach Treffen zu langen Staus. Wartezeiten von bis zu einer Stunde waren die Folge.
Das bestätigt auch Treffens Bürgermeister Klaus Glanznig (SPÖ): „Die Menschen haben die schönen Tage genossen.“ Dass es an der Mautstelle teils zu sehr langen Wartezeiten kam, ist richtig." Neben Überlastung nennt er einen weiteren Grund: „Autofahrer haben ihre Bankomatkarte in den falschen Schlitz gesteckt. Unsere Mitarbeiter mussten ausrücken und das Problem am Automaten beheben.“ An eine Sperre wird hier nicht gedacht. "Im Winter ist hier doppelt so viel los", sagt der Bürgermeister. Die Betreiber der Gerlitzen-Bergbahnen hoffen auf einen möglichen Starttermin für die Skisaison am 7. Dezember.
Warum es die Menschen gerade in Tagen des Lockdowns auf die Berge zieht, ist unter anderem den mangelnden Freizeitalternativen geschuldet. Der Besuch von Geschäften, Gastronomiebetrieben, Freunden und Familie ist stark eingeschränkt. Zudem locken die Gipfel mit strahlendem Sonnenschein, während sich in den Tälern seit Tagen der Nebel hartnäckig zeigt.