Die Politik müsse Antworten finden auf den Umstand, dass alte Unternehmen und Branchen durch neue ersetzt werden, die zum Teil mit weniger als der Hälfte der Beschäftigten ein Vielfaches an Wert erwirtschafteten. Unter dieses Motto stellte Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) seine Ausführungen zur Digitalen Agenda beim CEE-Wirtschaftsforum in Velden.
Die Verkäuferin an der Supermarkt-Kasse werde es in Zeiten der Scanner-Kassen bald nicht mehr geben, griff Kern ein Beispiel heraus. Aber auch dieser Verkäuferin müsse man eine Perspektive geben, und aus ihr werde kein Raketenbauer und kein Computeringeneur werden.
Liegt die Lösung im bedingungslosen Grundeinkommen, wollte Moderator Adolf Winkler, stellvertretender Chefredaktion der Kärntner Kleinen Zeitung, wissen. Zum jetzigen Zeitpunkt wäre das nicht der richtige Schritt, gab Kern zur Antwort.
Kern bekräftigte seine These, wonach es künftig nicht mehr möglich sein werde, die Sozialausgaben zur Gänze aus dem Lohnnebenkosten zu finanzieren, sondern man hier neue Wege gehen müsse. Österreich müsse sich der Raum greifenden Digitalisierung auch „steuerlich anpassen und über Konzepte wie Wertschöpfungsabgabe diskutieren“, hatte er schon tags zuvor bei einem Besuch von Start-Ups im Lakesidepark in Klagenfurt betont.
"Maschinensteuer irreführend"
Maschinensteuer wäre ein irreführender Begriff, rückte Kern von dem Reizwort, das die Industrie aufschreckte, ab. "Das Modell, das im Raum steht, nimmt Abschreibungen bewußt aus, damit sind Rationalisierung- und Erneuerungsinvestitionen per se ausgenommen", sagte er zur Kleinen Zeitung. Hauptidee sei eine steuerliche Entlastung des Faktors Arbeit. "Mein Ziel ist, die Lohnnebenkosten zu senken. Wir brauchen eine steuerliche Entlastung für den Standort, müssen aber auch künftig die sozialenNotwendigkeiten abdecken."
Kern steht auch zu seinen Ausführungen in der FAZ, wonach Europa von der Sparpolitik abrücken müsse, um Rückhalt in der Bevölkerung zu haben. Er war dafür massiv von der ÖVP kritisiert worden, die ihm eine extrem linke Haltung zur Last legte. "Was heißt hier links?", konterte Kern. Am kommenden Montag sei Nobelpreisträger Joseph Stiglitz bei ihm zu Gast, der ähnliche Thesen vertrete. "Und keiner wird behaupten wollen, dass das Nobelpreiskomittee mit Blindheit geschlagen oder marxistisch unterwandert ist!"
"Das ist keine linke Ideologie"
Auch die Europäische Zentralbank, der Internationale Währungsfonds und andere relevante Institutionen fordern dringend, dass wieder mehr vom Staat investiert werden müsse. "Das ist nicht linke Ideologie." Dass die Staatsverschuldung dennoch innerhalb bestimmter Grenzen bleiben müsse, sei unbestritten. Österreich liege dabei nicht schlecht, die Überschreitung der 80 Prozent sei keiner zügelloser Ausgabenpolitik sondern der Bankenrettung und damit der Stabiliserung der österreichischen Wirtschaft geschuldet.
Der Abbau der Bürokratie, Einsparungen im Staatswesen stünden auch für ihn ganz oben auf der Agenda. Ein Vergleich mit anderen Ländern, etwa Deutschland oder gar Großbritannien, sei dennoch mit Vorsicht zu betrachten: "In Großbritannien ist es halt so, dass ein Kindergartenplatz 1.200 Pfund pro Monat kostet."
Claudia Gigler