Wie fühlt es sich an, zu sterben? Wird es schnell gehen? Wird es wehtun? Wird jemand bei mir sein? Die Ängste Sterbender ähneln sich und ihr letzter Weg bleibt unbegreiflich. Sie müssen ihn aber nicht alleine gehen.
Seit 20 Jahren begleitet in Villach ein mehrköpfiges Team der Palliativmedizin unheilbar kranke Menschen stationär im LKH oder durch die mobile Pflege zu Hause. Die Ärztinnen, Pflegerinnen, Physiotherapeuten oder Psychologen versuchen körperlichen und psychischen Schmerz zu lindern, Prozesse zu erklären, Angehörige zu informieren und schlicht da zu sein. „Das Wichtigste in der Palliative Care ist es, sich dem Menschen authentisch anzubieten. Ihm zu sagen: Ich bleibe da und wir halten das jetzt gemeinsam aus“, schildert Susanne Zinell. Seit 20 Jahren leitet die Ärztin das 16-köpfige mobile Palliativteam und besucht Menschen im Oberkärntner Raum. Die eingangs erwähnten Fragen sind jene, die immer wieder kommen. Eine einheitliche Antwort gibt es nicht. Seit der Gesetzesänderung zum assistierten Suizid mehrt sich der Wunsch danach. „Wenn wir dann aber reden und ich zeigen kann, wie viele Möglichkeiten wir in der Palliativmedizin haben, entscheiden sich die meisten Menschen dagegen. Entscheidet sich jemand dafür, gehen wir auch diesen Weg gemeinsam.
Der letzte Weg eines Palliativpatienten kann wenige Tage bis hin zu Monaten dauern - und ist oft von großen Ängsten begleitet. „Wann ein Mensch sterben kann, hängt nicht nur von körperlichen Faktoren ab. Oft sind noch Konflikte zu klären, oder Kontaktabbrüche wiederherzustellen. Wir erleben hier sehr emotionale Zusammenführungen in Familien“, schildert Zinell. Das Hadern mit der Vergangenheit am Sterbebett ist etwas, das das Palliativ-Team immer wieder vorfindet. Genauso, wie der Versuch Angehöriger, Leben zu verlängern: „Wenn Menschen nicht mehr essen wollen oder können, wenn der Körper sich auf das Wesentliche reduziert, ist das ein sehr belastender Abschnitt, den es leider auch für Angehörige auszuhalten gilt“, schildert Zinell. Schmerzen wären beim Großteil der Betroffenen zum Glück nicht vorhanden. Vielmehr stellt sich oft eine letzte Dankbarkeit ein. „Wir erleben in den Begegnungen so viel Demut und Ehrlichkeit. Auf dem letzten Weg muss niemand mehr eine Maske tragen. Wir bekommen so viel zurück“, schildert Jutta Mainhart die Motivation, Teil der mobilen Palliativpflege zu sein.
Wollen oder können Menschen in diesem Abschnitt nicht zu Hause sein, befinden sie sich auf der Palliativ-Station im LKH Villach. Die Station ist nicht, wie oft angenommen, der Ort des Sterbens. „Bei uns stirbt etwa ein Drittel der Patienten. Zentral ist für unser gesamtes Team der Weg durch schwere Krankheit“, sagt Oberärztin Andrea Pirker-Rymarz. „Bei uns geht es stark darum, Medikamente zurückzufahren, den Körper in seine eigene Kraft zu bringen und den Menschen wirklich nur mehr das zuzumuten, was notwendig ist“, sagt Pirker-Rymarz. Auf der Station mit neun Betten gibt die Zeit den Takt vor, Hektik hat keinen Raum. Zwölf Pflegerinnen und Pfleger und eine Physiotherapeutin finden sich im fixen Team. Dazu kommen eine Psychologin, Diätologin, ein Seelsorger oder die „Weisse Nase Clowns“, die sich dem seelischen Wohl der Patienten annehmen. „Ich bin dankbar, die Betreuung hier ist sehr gut“, betont die Patientin Birgit Plasounig.
Immer wieder blinzelt die Sonne zwischen den Rollläden hervor. Immer wieder schweifen Blicke in die Ferne. Immer wieder ist die Suche nach Antworten auf das Unbegreifliche spürbar. Und wieder gibt die Zeit den Takt vor.