Vor genau einem Jahr führten Ihor und Alina Yurko noch ein unbeschwertes Leben, verheiratet erst seit sechs Monaten. Er ein Saisonarbeiter, der gerade in Österreich war, sie eine 22-jährige Friseurin und Nageldesignerin in der Ukraine und im siebenten Monat schwanger. Das Familienglück schien perfekt. Dann kam der 24. Februar 2022. An diesem Tag begann der russische Einmarsch in die Ukraine und der Krieg brach aus. Tausende Zivilisten verloren ihr Leben und Millionen Menschen wurden zur Flucht gezwungen. "Alina rief mich um 5 Uhr morgens an. Sie erzählte mir was passiert war und hatte große Angst. Mein erster Gedanke war, ich muss sofort zurück", erinnert sich der 26-Jährige. Das Problem: Wäre er zurück in die Ukraine zurückgekehrt, wäre ihm die Ausreise danach verwehrt geblieben. Er hätte Alina nicht mehr wiedergesehen und auch die Geburt seiner Tochter hätte er nicht miterlebt. Sein Ziel: Seine Familie aus dem Kriegsgebiet zu holen.
Ihor und Alina kommen aus der Stadt Romny aus der Oblast Sumy. Das Gebiet liegt an der ukrainisch-russischen Grenze und ist somit strategisch wichtig für den Krieg. "Zwei Wochen nach Beginn des Krieges nahmen die russischen Streitkräfte die Stadt komplett ein", erinnert sich Ihor. Mit Bekannten gelang der hochschwangeren Alina die Flucht. "In drei Tagen haben wir 900 Kilometer zurückgelegt und sind an die polnische Grenze gefahren. Während der Fahrt sah man immer wieder zerbombte Häuser und Autos. Ich hatte großer Angst um unser Baby. Ihor hat mich dann von der Grenze nach Österreich gebracht", erinnert sich Alina. Auch Ihors Mutter und sein zwölfjähriger Bruder, sowie Alinas Mutter und Großmutter kamen nach Kärnten.
Im Gespräch mit der jungen Familie fällt ein Satz sehr oft und der lautet: "Wir sind den Menschen hier sehr dankbar." Sei es Pfarrer Christian Stromberger, helfenden Menschen wie Ernestine Pobaschnig, Thomas Lanzmaier, Barbara Subosits oder dem Bürgermeister Wolfgang Grilz. "Die Gemeinde St. Georgen hat kurz nach Kriegsbeginn den geflohenen Menschen sofort geholfen", erklärt der Familienvater.
Im April 2022 erblickte die kleine Ewa das Licht der Welt. Schon von Geburt an ist sie eine Kämpferin. "Sie kam mit einem Herzfehler auf die Welt. Wir mussten mit ihr nach Linz zu einer Operation und zur Therapie fahren. Mittlerweile ist sie gesund. In Klagenfurt hat sie einige Nachuntersuchungen", erklärt Ihor, der mit seiner Familie im Pfarrhof in Launsdorf wohnt. "Viele Leute fragen mich, warum ich nicht nach Hause fahre und in den Krieg ziehe. Ich würde, aber ich muss an meine Familie denken. Ich kann meine Frau und meine Tochter nicht in Stich lassen. Ich verfolge jede Stunde die Nachrichten und spende auch für die ukrainische Armee. Wenn Geflohene ankommen dann helfe ich ihnen bei der Wohnungssuche oder beim Besorgen der Möbel", erzählt der 26-Jährige.
In die Gemeinde wurden die Drei total integriert. "Ich habe beim Feuerwehrfest ausgeholfen. Habe bei Peter Lauko, der uns auch viel geholfen hat, am Wiesenmarkt gearbeitet. Und es kommen oft Leute im Pfarrhof vorbei und sehen nach, wie es uns geht." Der Ukrainer arbeitet als Baumpfleger und ist beim Haus- und Gartenpflegeunternehmen Zeitreich in St. Veit beschäftigt.
Das Leben in einem fremden Land sei nicht immer einfach. "Es ist aber nichts im Vergleich zur Situation der Soldaten, die an der Front kämpfen müssen. Wir haben leider einige Freunde und Bekannte verloren", sagt er traurig. Wenn der Krieg vorbei ist, will die Familie zurück. "Wir hoffen auf ein baldiges Ende und wollen wieder in die Ukraine. Wollen dort beim Wiederaufbau helfen. Die Leute hier in Österreich sind sehr nett und wir sind unendlich dankbar, aber die Ukraine ist unser Zuhause."