"Ein Freund von mir war vor fünf Jahren hier auf Urlaub. Gestern hat er mich angerufen und mir erzählt, er hat seine Schwester und seine Mutter nach 28 Stunden lebend aus den Trümmern des Hauses bergen können. Meine Tante und meine Cousine schlafen seit Tagen in ihrem Auto, weil sie Angst vor weiteren Nachbeben haben und davor, dass weitere Häuser einstürzen. Ein weiterer Bekannter und seine Tochter sind die einzigen in seiner Familie, die das Erdbeben überlebt haben. Seine Frau, seine anderen Kinder, seine Eltern, sie alle sind gestorben. Nachts hört man Menschen in den Trümmern schreien, aber man kann ihnen nicht helfen." Es sind Sätze wie diese, die nicht mal ansatzweise beschreiben können, was die Nachrichten aus der Türkei, die Mehmet Akbulut aus Althofen erreichen, in ihm auslösen.
Akbulut ist Kurde, seine Familie kam vor 30 Jahren aus der Türkei nach Österreich. Er wurde hier geboren. "Meine Tanten, Onkel und viele Freunde leben direkt im Krisengebiet und in der Nähe der Epizentren." Von Österreich aus fühle man sich vor allem hilflos. "Unsere Verwandten haben uns kurze Zeit nach dem ersten Erdbeben angerufen. Sie haben uns geschildert, dass Häuser umgefallen sind wie Dominosteine. Es war ein wirklicher Schock. Ich habe einige Bekannte in der Türkei, die ich seit Tagen nicht erreiche. Ich weiß nicht, ob sie noch am Leben sind", erklärt der 26-Jährige mit gesenktem Blick. Teile seiner Familie leben in Gaziantep, in Adıyaman und Urfa. "Was die Menschen derzeit am dringendsten benötigen, ist Wasser und Brot. Viele Menschen sind in kleine Dörfer geflohen, die Dörfer sind überfüllt und kommen mit der Versorgung der Menschen nicht mehr nach."
Akbulut und seine Eltern haben vor einigen Tagen eine Spendenaktion ins Leben gerufen. Die Familie betreibt das Restaurant "El Camino" in Althofen. Spenden können jederzeit vorbeigebracht werden. "Die Stadtgemeinde hat mir Geld und einen Lkw zur Verfügung gestellt, unsere erste Lieferung hat das Krisengebiet schon erreicht."
Benötigt werden Kleidung, Zelte, Schlafsäcke, Decken, Babynahrung, trockene Lebensmittel, Hygieneartikel besonders für Frauen und Kinder, Windeln, Winterschuhe. "Taschenlampen und Batterien. Viele suchen auch noch nachts nach Verschütteten. Ebenso würden wir neuwertige, warme Kleidung benötigen, derzeit hat es in der Türkei nämlich winterliche Temperaturen. Einige Menschen spenden alte, zerrissene Sachen, die eigentlich zum Entsorgen wären – oder auch Stöckelschuhe. Das ist leider nicht hilfreich", sagt Akbulut. Die Familie arbeitet auch mit den Lionsclubs in der Region zusammen. "Ein Spendenkonto für Geldspenden wurde eingerichtet. Viele müssen in der Türkei noch Lebensmittel oder warme Kleidung kaufen. Deshalb bitten wir auch um Geldspenden."
Gemeinsam mit seinem Cousin Baver Pekmzci will sich der Althofener nächste Woche selbst auf den Weg in die Türkei machen. "Wir fahren mit dem Auto. Nehmen Spenden mit und wollen vor Ort helfen und anpacken. Viele Bekannte machen sich dort derzeit nützlich und tragen den Schutt weg. Das kann ich auch machen. Ich kann vor Ort kochen. Egal wie und was, ich möchte einfach nur helfen", sagt der 26-Jährige. Die Familie möchte aber nicht nur auf die Opfer in der Türkei aufmerksam machen. "Auch die Menschen in Syrien brauchen dringend Hilfe. Dort herrscht Krieg. Die Syrerinnen und Syrer hat es auch sehr schlimm getroffen."
Spenden können täglich im "El Camino" in Althofen abgegeben werden. "Unsere nächste Lieferung geht am Montag, 13. Februar, in die Türkei. Danach gibt es leider einen Lkw-Stopp bis 25. Februar." Derzeit sind viele Hilfsgüter aus aller Welt unterwegs, deshalb braucht man Zeit, um Spenden zu verliefern.
Akbuluts Cousine Ayse Tas lebt allein in Kärnten. Ihre Eltern und Geschwister leben im Krisengebiet. "Wir versuchen, jede Stunde mit unseren Verwandten zu telefonieren. Leider ist auch das Netz überlastet. In Fernsehen sieht man zwar die furchtbaren Bilder, aber in Wirklichkeit ist es noch viel schlimmer. Wir fühlen uns in Österreich einfach sehr hilflos und verfolgen alle aktuellen Berichte über die Türkei. Mit jeder Stunde, die vergeht, schwindet die Hoffnung, noch Überlebende zu finden. Mit unserer Spendenaktion können wir wenigstens ein klein bisschen helfen."