„Wenn ich in Kanada bin, möchte ich dann wieder nach Kärnten, und wenn ich in Kärnten bin, will ich wieder nach Kanada. Man bleibt doch immer ein Zerrissener“, so erklärt Roland Pirker, jetzt 74 Jahre alt, bei seinem jüngsten Heimataufenthalt bei einem Kaffee in Friesach. Auch wenn Pirker in einem anderen Land eine Heimat gefunden hat. Er ist heute engagiert als Präsident des Austrian Canadian Council (ACC) im Auslandsösterreicher-Weltbund für Österreicher und Österreicherinnen, die im Ausland leben. Er selbst wohnt in der kanadischen Hauptstadt Ottawa. Mit seiner Frau Burgie wanderte er in den 1960er-Jahren nach Kanada aus. „Mein Plan war ja, nur zwei Jahre zu bleiben, um mein Eishockey zu verbessern.“ Daraus wurden 57 Jahre, auf die das Ehepaar heuer zurückschauen kann. Das mit dem Eishockey klappte allerdings nicht. Der Grund: „Ich hab mich fast angemacht beim Spielen, die Kanadier waren alle über 1,90 Meter groß und die Typen wogen um die 250 Pfund.“
Als Mechaniker wurde es dann auch nichts mehr, aufgrund seines kaputten Rückens musste er die Arbeit aufgeben. Der unvorhergesehene Weg führte Pirker zum Beruf des Videofilmers mit eigenem Unternehmen. Mit seiner Frau – vor dem Auswandern war die Lehrerin auch als ausgebildete Schauspielerin bei den Friesacher Burghofspielen als Hauptdarstellerin aktiv und stand sogar als Fausts „Gretchen“ auf der Bühne – startete er also in ein völlig neues Leben.
Dazu gehörten all die Geschichten, die man als Auswanderer durchmacht. Inklusive schlechter Behausungen, im Fall des jungen Pärchens aus Friesach eine winzige Wohnung, deren Standard dem schmalen Geldbörse der Auswanderer entsprach, und viele Jobs. „Meine Frau hat in der Küche gearbeitet, geputzt, gewaschen, gebügelt, alles. Wenn wir damals heimgeschrieben hätten, was wir so machen, sie hätten alle gesagt, fahrt‘s heim.“
Der junge Roland Pirker absolvierte nach seinem Jobausstieg als Mechaniker ein Filmstudium, seine Frau fütterte beide durch. „Eigentlich haben wir fast alles Zufällen und Irrtümern zu verdanken“, erinnert sich Pirker an viel Lebensglück. „Das Filmstudium habe ich begonnen, weil ich geglaubt habe, ich melde mich nur für einen dreiwöchigen Kurs an, dabei waren es drei Jahre. Und einen Job als Ersatzlehrerin hat meine Frau bekommen, weil die Behörde ‚Austria‘ mit dem englischsprachigen ‚Australia‘ verwechselt hat“. Also gab es eine Arbeitsgenehmigung.
Dokumentation Äthiopien
Nach dem Studium fand Pirker eine Anstellung bei der Fernsehanstalt „Canadian Broadcasting Corporation“ (CBC), die erste Auszeichnung für einen Film holte er sich bei einem Wettbewerb in Velden. Seine Frau hatte das Werk heimlich eingereicht. Später gründete er sein eigenes Unternehmen „Rollframe“. Das kanadische Militär gehörte ebenso zu seinen Auftraggebern wie die Regierung oder Non-Profit-Organisationen. Die Aufträge erstreckten sich über alle Themen, von der Reportage über wissenschaftliche Projekte in der Arktis, bis zur Thematisierung der Beschneidung von Frauen, Naturreportagen, Tierfilmen.
Beruflich ein Weltreisender
Aller Herren Länder hat Pirker bereist und Reportagen gedreht, Begegnungen gab es mit Königin Elisabeth von England ebenso wie mit Nelson Mandela, aber auch vor allem mit vielen Menschen, oft bitter arm, aber immer mit besonderen Geschichten und Schicksalen. Hin und wieder reiste der Filmemacher in Begleitung seiner Kinder Rolando und Rebecca. „Meine Frau wollte nicht so gerne mit.“ Die Kinder kamen unter anderem mit nach Kuba, nach Mexiko, zum Grand Canyon, sie sahen Yellowstone. „Sie waren damals zwischen acht und 15 Jahre alt. Ich wollte sie so auf die Welt vorbereiten.“
Neues Buch
Bücher über sein Leben hat Pirker schon veröffentlicht, das neue soll Erzählungen, Erlebnisse aus Kärnten wie aus Kanada zum Inhalt haben. Seiner Lektorin Jennifer Goldstone, eine Britin, zeigte er bei seinem letzten Besuch seine Heimat. „Ich möchte über meine zwei Welten schreiben“, erklärt der 74-Jährige.
Bodenständige Basis
Es gibt über keine großen Reisen zu berichten, wenn es um Kärnten und den Heimatort Friesach geht, aber über jene Dinge, welche die Bodenständigkeit schufen, um als Weltenbummler nicht abzuheben. „Ich schreibe auch über meine Großeltern, ich habe ihnen viel zu verdanken, von meinem Großvater habe ich so viel gelernt. Er war mein Mentor, ein wunderbarer Mensch, er hat mich geistig wirklich gefesselt.“
Pirker erzählt auch Gruseliges. „Meine Familie hatte einen Bauernhof, von dem meine Großmutter behauptet hat, er ist verflucht, deshalb hat die Familie ihn verkauft. Später hat man im Gebäude Menschen gefunden, die man dort bei lebendigem Leib eingemauert hat.“
Zwei Fahnen
Zurück ins Leben heute: Pirker blieb ein Pendler zwischen zwei Welten. Aufgrund seiner Filmarbeiten auch für das kanadische Militär musste er die kanadische Staatsbürgerschaft annehmen und die österreichische abgeben. Er konnte diese jedoch in späteren Jahren zurückbekommen. „Auf meinem Haus habe ich die österreichische Fahne, die kanadische hängt unterhalb.“ Und: Er ist auch als Verwalter eines von seinen Großeltern vererbten Bauernhofes immer Österreicher geblieben.
Netzwerk für Auslandsösterreicher
Für Auslandsösterreicher engagiert sich Pirker unter anderem als Präsident des Austrian Canadian Council (ACC) im Auslandsösterreicher-Weltbund für Österreicher und Österreicherinnen, die im Ausland leben. „Es hat immer wieder Menschen gegeben, die mir damals geholfen haben, und ich konnte ein schönes Leben aufbauen, ich möchte einfach etwas zurückgeben.“ Der Weltbund unterstützt seine Mitglieder in vielen Angelegenheiten und kann dabei auf ein gutes Netzwerk zurückgreifen.