Es ist keine Arbeit im Akkord, kein Hetzen. Selbst Romana und Helmut Candussi vom Weingut "Vinum Virunum" in St. Donat scheinen die Weinlese zu genießen. Obwohl sie eigentlich genug Arbeit haben in dieser Zeit. Und das macht die besondere Atmosphäre dieser Tätigkeit im 3,5 Hektar großen Weinberg aus. Sie macht einfach Spaß und hat etwas Meditatives an sich. Die Kleine Zeitung mischte sich für wenige Stunden unter die Weinleser, um selbst zu erfahren, welcher Handgriffe es bedarf, damit die Traube ins Fass, in die Flasche und schlussendlich als Kärntner Wein ins Glas kommt.
Rund 30 Leute, knapp die Hälfte davon Erntehelfer aus Slowenien, stehen im Herbst Wochenende für Wochenende im Weingarten, um bei der heurigen Weinlese zu helfen. Auch, wenn am Abend der Rücken wehtut. Aber die Bewegung an der frischen Luft fühlt sich gut an. Am Ende des Lesetages gab es im gemütlichen Weinberghäuschen zu Backhendl den Wein aus dem Weinberg, in dem wir gearbeitet haben. Und spätestens dann weiß man, dass man den Tag über etwas Gutes getan hat.
Weinlese als naturnahe Meditation
"Es gibt nichts Entspannenderes, als bei schönem Wetter Wein zu lesen. Es ist uns viel zu wenig bewusst, wie Wein entsteht und wie viel Arbeit drinnen steckt, bis man die Flasche am Tisch hat", freut sich Werner Stein übers Lesen. Ausgerüstet mit einer Rebschere, das zu diesem Anlass unerlässliche Werkzeug, schneidet man so viele Trauben wie möglich ab und vergisst auch die nicht, die sich unter den Weinblättern verstecken.
Dabei lernt man außerdem, die "Vinum-Virunum"-Rebsorten und ihre typischen Merkmale zu unterscheiden und zu kennen. Die Candussis nehmen sich auch zum Erklären viel Zeit. Weinlesen ist keine Hexerei, bemerkt auch Annette Hochsteiner: "Wenn man es allein für sich macht, ist es jedenfalls meditativ. Ich sehe beim Lesen die Arbeit dahinter. Wir freiwilligen Erntehelfer machen da nur einen kleinen Schritt mit, jedoch hilft das Mithelfen den kleinen Winzern ganz groß."
Zeile für Zeile im Weingarten wird achtsam geerntet. In Kunststoffcontainern landen die Reben, die sorgfältig von Rosinen gesäubert werden. Sortenrein ist ein wichtiger Begriff. In einem Kleintransporter werden die vollen Kisten zum Pressen in den "Vinum-Virunum"-Weinkeller in Reipersdorf gebracht. Dort reifen dann die Weine Pinot, Merlot, Blaufränkisch, Chardonnay, Sauvignon blanc und Traminer in Holzfässern und Stahltanks.
Unwetter machen Winzern zu schaffen
Das Weinjahr 2023 bereitet vielen Winzern in Mittelkärnten Kopfzerbrechen. Rupert Ofer vom Weingut Ofer am Wachsenberg bei Feldkirchen betreibt 1,5 Hektar Weinanbau und ist Obmann der Feldkirchner Winzer: "Es war ein durchwachsenes Jahr, enorme Regenmengen und bis zu dreimal Hagel haben uns zugesetzt. Mir wird berichtet, dass es Ausfälle von mindestens 50 Prozent gibt." Trotzdem ist Ofer zuversichtlich: "Die verbliebenen Trauben werden aber aufgrund des schönen Herbstes eine gute Qualität liefern."
Im Weingut "Vinum Virunum" sei man vom Hagelschlag verschont geblieben, sagt Romana Candussi: "Durch sehr fleißige und konsequente Laubarbeit hat bei uns die Pilzerkrankung nicht viel Schaden angerichtet. Wenn der Oktober jetzt noch so schön bleibt, wie er begonnen hat, und die Trauben die Chance bekommen noch zu reifen, werden auch unsere Weine eine hohe Qualität bringen."
Dass der Wein ebenso köstlich frisch und süß schmecken wird, wie die Trauben, die man beim Lesen stibitzen darf, rundet einen geselligen Weinlesetag geschmackvoll ab. Zum Wohl!
Gert Köstinger