Österreichs Bevölkerung ist 2022 so stark angestiegen wie nie zuvor in der Zweiten Republik. Mit 9,1 Millionen hat sie auch mehr Einwohner denn je. Die Hälfte des Netto-Zuwachses von 126.000 Personen und damit sein größter Anteil entstanden durch die Fluchtmigration aus der Ukraine. Diese vor einer Woche präsentierten Daten der Statistik Austria sind wenig überraschend. Doch einzelne regionale Ergebnisse verblüffen im Langzeitvergleich. Kärnten wurde seit langem als das erste Bundesland gehandelt, dessen Bevölkerungszahl zurückgehen werde. Ebenso kontinuierlich hat es sich dieser Prognose erfolgreich widersetzt, auch ohne Kriegshilfe.

Das ändert nichts daran, dass es von Salzburg, das zum Jahreswechsel nur noch 500 Einwohner weniger hatte, wohl heuer noch überholt wird. Mit 570.000 liegt die Einwohnerzahl von beiden dann 200.000 hinter jener von Tirol. Das ist weniger selbstverständlich, als es heute scheint. Denn Kärnten hatte bis vor 55 Jahren mehr Bevölkerung als das gespaltene Bundesland. Nun aber liegt es schon im Visier von Südtirol mit 530.000, das ähnlich rasant wie die österreichischen Landesteile gewachsen ist.

Höherer Zuwachs in Kärnten als in Tirol

Doch dieser Trend könnte den Zenit überschritten haben. Denn Kärnten verzeichnete 2022 mit 9000 einen stärkeren Bevölkerungszuwachs als Tirol mit 8000. Und der Geburtenrückgang dort war mit 3,6 gegenüber 6,4 Prozent deutlich geringer. Der Süden gewinnt an Attraktivität, der Westen verliert sie. Er hat vom Mond- bis zum Bodensee mit fast 20 Prozent den höchsten Ausländeranteil nach Wien, Kärnten mit 13 Prozent den geringsten nach dem Burgenland. Nun aber bremsen vor allem die enormen Wohn- und Lebenskosten die Bevölkerungsdynamik in Tirol. Auch sein zwiespältiger Umgang mit Tourismus und Corona – Stichwort Ischgl – hat das Land Sympathien gekostet.

Umgekehrt gerät Kärnten durch die Koralmbahn aus dem verkehrstechnischen Abseits und gilt infolge der politischen Veränderung von FPÖ- zu SPÖ-geführter Regierung auch international wieder als vorzeigbar. Die Milliardeninvestition von Infineon in Villach ist ein Indiz für diese neue wirtschaftliche Anziehungskraft. Der wichtigste Punkt allerdings, um trotz Geburtenrückgangs Bevölkerung zu gewinnen, ist Willkommenskultur. Kärnten lernt sie mühsam, aber doch. Denn es wurde Jahrzehnte lang mit seinem Schrumpf-Szenario konfrontiert. In Tirol grassiert wegen der Grund- und Bodenknappheit zunehmend Abwehrhaltung gegen weiteren Zuzug. Das ist ein Nachteil. Im innerösterreichischen Standortwettbewerb werden die Karten neu gemischt.